Fahrbericht VW ID. Buzz Cargo: Zwischen Lieferwagen und Transporter

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Der neue VW ID. Buzz Cargo siedelt sich zwischen Lieferwagen und Transporter, zwischen gestern und morgen an. Also heißt’s beim Stromer wie einst bei Robert Lembke: Was bin ich?

VW ID. Buzz Cargo
Therapiehund Kayo nimmt’s gelassen, seine Chefin ist neugierig: Fahrer des VW ID. Buzz Cargo gewinnen neue Freunde. - © Randolf Unruh

Während sich Therapiehund Kayo unbeeindruckt vor dem Transporter in der Herbstsonne dehnt, drückt sich seine Chefin am Testwagen die Nase platt. Ein gemeinsames Erinnerungsfoto? Aber gerne. Wer den VW ID. Buzz Cargo fährt, gewinnt neue Freunde. Etwa den gut informierten Handwerker auf dem Nachbarplatz an der Ladestation: „Kann der auch bidirektional laden?“ Kann er nicht. Nebenan schauen die Tesla-Jungs mit den schicken Piloten-Sonnenbrillen neugierig. Die Seniorchefin der Praxis für Physiotherapie: „Wir haben mehrere Busse gehabt, wie ist der denn so?“ Das ist die Grundfrage. Siedelt sich der ID. Buzz Cargo doch zwischen Lieferwagen und Transporter an, nimmt optisch Anleihen von gestern auf und fährt gleichzeitig technisch in die Zukunft.

Dafür hat er sich fein angezogen. Die Karosserie ist rundgelutscht wie ein Bonbon, die Proportionen mit langem Radstand, kurzen Überhängen und breiter Spur stehen dem VW prächtig. Ebenso kleine Aufmerksamkeiten des Designs wie der Gitter-Kühlergrill, die fast echten Belüftungsohren wie einst an den hinteren Ecksäulen und vorn das mächtige Markenzeichen. 21 Zentimeter Durchmesser übertreffen nur südamerikanische VW-Trucks. Richtig gut steht dem ID. Buzz Cargo auch die teure zweifarbige Lackierung. Mal ehrlich, dagegen ist der aktuelle Multivan ein Langweiler.

Seitlich hineingleiten

Nähert man sich dem ID. Buzz mit Schlüssel in der Hosentasche, brummt er kurz wie Therapiehund Kayo und richtet, sofern geordert, seine LED-Matrix Scheinwerfer aus. Tür auf und dann, ja nicht mehr einsteigen à la T6, sondern seitlich hineingleiten. Die Sitze umschließen den Körper kuschelig, die Sitzposition passt, Ablagen und Steckdosen gibt es reichlich, auch der Fußraum ist beachtlich. Der Blick fällt auf die kleine Armaturen­anlage. Ist sie ärmlich oder genial einfach? Auf jeden Fall komplett bestückt und luftig leicht wie das ganze Fahrerhaus – von einer gewissen Düsternis mal abgesehen. Die Sicht auf Ampeln? Wegen des weit nach vorne gezogenen Daches schaut der Fahrer schlecht nach oben. Die Außenspiegel sind klein. Angesichts des Monitors in Wagenmitte folgt die schon gewohnte Kritik über einfache Funktionen in versteckten Menüs, unbeleuchtete und schwer zu ertastende Regler für Temperatur und Lautstärke. Auch die Lenkradtasten sind, da eben keine rastenden Tasten, nicht der Weisheit letzter Schluss. Therapiehund hilf, wo ist bei VW die einfache Bedienung geblieben?

Am Berg durchziehen

Therapie ist eine flotte Straßenrunde. Der Heckmotor mit 150 kW/204 PS und 310 Nm schiebt mächtig an, der VW zieht auch im oberen Tempobereich und am Berg durch – schafft nicht jeder E-Transporter. Drei Fahrmodi gibt’s: Die Eco-Variante ist etwas schlurfig, Komfort passt immer und die Sport-Variante kann man missachten.

Dank dicker 255er-Walzen an der Hinterachse und breiter Spur liegt der ID. Buzz Cargo satt auf der Straße. Federt stramm, aber nicht überhart. Erreicht mit niedrigem Schwerpunkt und Mehrlenker-Hinterachse verblüffende Kurvengeschwindigkeiten. Der Übergang von E- zur Reibbremse ist gut abgestimmt. Hinten gibt’s Trommeln. Die Lenkung arbeitet präzise, die von seinen Geschwistern bekannten Tauchbewegungen bei flotten Manövern kennt der ID. Buzz nicht. Und dank Mini-Wendekreis wetzt er flink um die Ecken. Für alle Fälle fahren reichlich Assistenten mit. Beim Parken wird’s heikel: Der Einpark­assistent gestattet eine solch vorwitzige Annäherung an den Vordermann, dass der Notbremsassistent erschrocken die Bremse reinhaut.

Mit der Palette hadern

Transporter sollen transportieren: Mit zwei Schiebetüren plus Heckklappe hat der Testwagen durchgehend geöffnet. Aber die schmalen seitlichen Luken lassen keine Palette durch. Die Heckklappe aus Verbundwerkstoff öffnet elektrisch unterstützt. Der Hinterradantrieb kostet Innenhöhe, die bauchige Karosserie weiteres Volumen – 3,9 Kubikmeter sind nicht viel. Auch nicht rund 600 Kilo Nutzlast und knappe Achslastreserven für Fracht und Fahrer inklusive einiger Extras. Immerhin eine Tonne darf der Stromer ziehen. Typisch VW sind der robuste Boden im Laderaum und handfeste Zurrösen. Praktisch: die LED-Lampen inklusive Vorfeldbeleuchtung in der geöffneten Heckklappe und das Kabelfach unter dem Boden in Höhe der rechten Schiebetür. Doch oben laufen ungeschützt Kabelstränge entlang, das geht sorgfältiger. Obacht: 1.230 Millimeter Durchgangsbreite zwischen den Radkästen ist Lieferwagenmaß. Also per Hand 20 Säcke Schnellbeton à 25 Kilo einladen. Das Fahrwerk steckt den Ballast mühelos weg, der E-Motor sowieso. Geradeauslauf, auch der schnelle Haken als Spurwechsel ohne jede Nachbewegung – klasse.

Beim Verbrauch glänzen

Ebenso tut sich der ID. Buzz Cargo bei Verbrauch und Reichweite hervor. Wer den VW mit den maximal möglichen 145 Sachen über die Autobahn drischt, muss mit 30 kWh/100 km kalkulieren. Gelassene 120 km/h kosten etwa 25 kWh. Bei Überland- und Kurzstrecken ist man mit nur 15 bis 18 kWh dabei. Alles voll ausgeladen, versteht sich. Macht im Schnitt 20,3 kWh auf der teils sehr anspruchsvollen Hausstrecke der Redaktion. Das ist gut, richtig gut. Mit nutzbaren 77 kWh ist ordentlich Stromkapazität an Bord. Im Alltag ohne Autobahn sind allemal 300 Kilometer und mehr drin. Der ID. Buzz Cargo ist der erste E-Transporter, mit dem man bedenkenlos in den Tag startet. Und weitere Spartechnik wie eine Wärmepumpe für die Heizung soll folgen.

Wobei auch eine Zwischenladung den VW nur kurz aufhält, denn bei leerem Akku schlürft er den Saft mit bis zu 170 kW Ladeleistung. Sogar schneller als seine Pkw-ID-Kollegen. Bei weniger als 20 Prozent Batteriekapazität weist der VW auf notwendige Ladungen hin, bietet auf Wunsch passende Säulen an, reduziert später langsam die verfügbare Leistung.

Und dann war da im Ladepark noch die Beifahrerin einer E-Sportlimousine mit einer verblüffenden Frage: „Wer hat den denn umgebaut?“ Den ID. Buzz ­Cargo? Auf E-Antrieb umgebaut? Jetzt hilft nur noch Therapiehund Kayo.

Technische Daten

  • Abmessungen (L/B/H): 4.712/1.985/1.927 mm
  • Radstand: 2.989 mm
  • Wendekreis: 11.100 m
  • Laderaum (L/B/H): 2.208/1.732/1.279 mm
  • Breite zw. Radkästen: 1.230 mm
  • Ladekapazität: 3,9 m³
  • Leergewicht Testwagen: 2.390 kg
  • Nutzlast: 610 kg
  • Zul. Gesamtgewicht: 3.000 kg
  • Anhängelast bei 12 % Steigung: 1.000 kg
  • Zul. Zuggesamtgewicht: 4.000 kg
  • Batterie: Lithium-Ionen, Bruttokapazität 82 kWh, netto 77 kWh
    Wallbox mit 11 kW, Schnellladung max. 170 kW
  • Motor: E-Motor im Bereich der Hinterachse
  • Leistung: 150 kW/204 PS
  • Drehmoment: 310 Nm
  • Getriebe: Einganggetriebe, feste Übersetzung
  • Höchstgeschwindigkeit: 145 km/h
  • Verbrauch (WLTP): 22,3–20,3 kWh/100 km
  • CO2-Emissionen: 0 g/km
  • Teststrecke beladen: 20,3 kWh/100 km
  • Preis (exkl. MwSt.): 45.740 Euro