Kontaktlos bezahlen Bargeld auf dem Rückzug: So stellen Handwerker auf digitales Bezahlen um

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Im Handwerk dominiert das Bargeld, vor allem wenn es um kleine Beträge geht. Das muss nicht sein. Ein Bäcker und ein Friseur erzählen, wie sie ihren Betrieb auf bargeldlose ­Zahlung umgestellt haben und warum sich die Entscheidung ausgezahlt hat.

Michael Gauert, Bäckermeister aus Düsseldorf
Michael Gauert, Bäckermeister aus Düsseldorf. In einer seiner Filialen akzeptiert er kein Bargeld. - © Markus J. Feger

Einfach nur schrecklich diese Leute“, „das kundenunfreundlichste Verhalten, was es gibt“, „spätestens beim Versuch zu bezahlen, vergeht einem hier der Appetit“ – solche und noch viel schlimmere Kommentare musste sich Bäckermeister Michael Gauert wochenlang anhören und durchlesen. Es gab sogar aggressive Kritiker, die damit drohten, die Scheiben seiner Bäckerei einzuschlagen und ihn persönlich anfeindeten. Und das alles nur, weil der Düsseldorfer in seiner zweiten neu eröffneten Filiale keine Münzen und Scheine annehmen möchte. „Kein Bargeld, bitte zahlen Sie bargeldlos“ steht gut sichtbar auf dem Plakat an der Filiale.

Seit Beginn der Corona-Pandemie ist Zahlen via Karte oder App für viele selbstverständlich geworden – selbst bei den bargeldliebenden Deutschen. Schließlich bestand die Sorge, Viren per Geldschein und Münzen auszutauschen. Mittlerweile wissen Forscher, dass die Ansteckungsgefahr über diesen Weg gering ist. Doch der Trend bleibt. Die Kartenzahlungen an Ladenkassen sind in Deutschland im Jahr 2020 um 21 Prozent gestiegen, der Kartenumsatz um 6,8 Prozent. Aber lohnt sich der Umstieg auch für kleine Handwerksbetriebe? Schließlich kostet jede Transaktion Geld, viele Terminalbetreiber und Banken verlangen zusätzlich eine monatliche Grundgebühr.

Unsichtbare Kosten von Bargeld

Bäckermeister Gauert weiß, wo die Skepsis vieler Chefs herkommt: „Die Kosten für einen Kartenterminal sieht man eben schwarz auf weiß. Das erscheint einem viel“, so der Düsseldorfer, „aber die unsichtbaren Kosten, die Bargeld immer verursacht, die vergisst man schnell.“ Denn wenn der Laden schließt, geht es ja nicht nur ans Aufräumen, sondern auch ans Geld zählen. Gauert oder sein Filialleiter müssen dann Scheine und Münzen aus mehreren Kassen zählen, die Beträge abgleichen, Wechselgeld vorbereiten und das Bargeld zur Bank bringen. „Dafür geht mindestens eine Stunde Arbeitszeit drauf“, sagt Gauert. „Allein die Kosten für mich oder meinen Mitarbeiter sind im Monatsvergleich deutlich höher als die Terminalkosten.“ Wie viel er genau dafür bezahlt, möchte Gauert nicht sagen. Nur so viel: Er bezieht das Kartenterminal über seine Hausbank, die Deutsche Bank. Die berechnet eine monatliche Fixgebühr und bietet im Gegenzug einige Freitransaktionen. Sind diese aufgebraucht, wird normal abgerechnet. In der Regel heißt das: Ein geringer Prozentsatz des Transaktionsumsatzes wird als Gebühr fällig. „Wie hoch die Kosten tatsächlich sind, rechnet die Bank vorab auch mal mit dem aktuellen Umsatz und der erwartbaren Quote an Kartenzahlungen durch“, erklärt Gauert.

Übersicht: Anbieter- und Konditionenübersicht für bargeldloses Bezahlen

Die Konditionen der Anbieter sind in Bewegung und oftmals Verhandlungssache. Als Faustregel gilt: je höher der Umsatz desto besser die Konditionen. Handwerker sollten Umsatz und Bedarf ermitteln und sich von mindestens zwei Unternehmen ein Angebot einholen.

AnbieterTerminalkostenTransaktionskostenSonstiges
Sumupab 29 € (zzgl. MwSt.) einmalig
(149 € mit Bondrucker)
Debitkarten: 0,9 %
NFC-Zahlungen (Apple- & Google-Pay): 1,9 %
Kreditkarten: 1,9 %
QR-Code: 1,9 %
(individuelle Angebote möglich)
zusätzlich können Kassensoftware, ein Kassensystem und ein TSE-Drucker erworben werden
bei Einnahmen über 100.000 € im Jahr individuelle Angebote
manche Terminals mit Trinkgeld-Lösung
Concardisab 16,95 € im Monat
(bei 24 Mon. Laufzeit); Kauf des Concardis A77: 99 € (einmalig)
0,99 %mit SmartPay haben Unternehmen Einblick in Einnahmen, Ausgaben und können Umsätze analysieren
integrierte Trinkgeld-Lösung
Bezahlexpertenab 6,99 € im Monat
(zzgl. Servicepauschale 5,99 €, Zusammenfassung aller
Zahlungen 1,99 €)
Je Transaktion bei
1–100 Transaktionen: 9 ct.
101–250 Transaktionen: 8 ct.
ab 251 Transaktionen: 7 ct.
Kreditkarten: 1,19 %
Girocard/EC-Karte: 0,25 % (vom Gesamtumsatz)
einmalig 24,99 € für die Terminaleinrichtung
Unternehmer können selbst entscheiden, welche Karten sie akzeptieren wollen
integrierte Trinkgeld-Lösung möglich
Zettleab 29 € einmaligDebitkarten (Vpay, Visa Electron, Maestro): 0,95 %
alle anderen Karten: 2,75 %
Paypal-QR-Code: 0,75 %
individuelle Tarife ab einem Monatsumsatz über 10.000 €
für 249 € bietet Zettle ein komplettes Kassensystem
Trinkgeldfunktion vorhanden
PayoneAll Card Flat: 0 €
Flat ab 29,90 € (bei 60 Monaten Laufzeit und etwa 1.000 €
monatlichem Kartenumsatz)
Classic: ab 11,90 € im Monat
Mobiles Kassensystem Donner: Auswahl aus verschiedenen
enfore payment Paketen
All Card Flat:
1,99 % für Umsätze über dem gewährten ­Transaktionsvolumen
Classic:
0,07 € Transaktionsgebühr
Girocard: 0,24 %
Debitkarten: 1,49 %
Kreditkarten: 1,49 %
einmalig 39 € Einrichtungsgebühr bei Angebot Classic
Trinkgeldfunktion verfügbar

Unternehmerische Entscheidung

Neben der Kostenersparnis hat ein weiterer Faktor den Ausschlag für dieses Experiment gegeben: Die Filiale war frisch eröffnet, hatte also noch keine große Stammkundschaft, die er hätte vergrämen können. „Mir war vollkommen bewusst, dass ich mit der Kartenzahlung manche Kunden ausschließe“, bedauert er. „Aber das tut man ja als Selbstständiger immer irgendwie. Auch mit meinem Angebot oder meinen Öffnungszeiten schließe ich potenzielle Kunden aus, ich erreiche nie alle.“ Dafür lässt Gauert seine Kunden mit fast jeder Karte bezahlen. Die meisten nutzen die Girokarte. Aber auch Kreditkarten – mit Ausnahme derer von American Express – sind erwünscht. Besonders die Touristen zahlen nämlich gern mit Kreditkarte. „Ich biete beides an, weil ich keine Lust auf Diskussionen habe“, lächelt Gauert.

So empfiehlt das auch Kevin Hackl, Bereichsleiter für Digital Banking und Financial Services beim Digitalverband Bitkom. „Am besten sollten Unternehmer einen Bezahlmix anbieten, sodass jeder per Karte zahlen kann.“ Ist das Kartenterminal erst installiert, bringt es auch auf der Berichtsseite viele Vorteile: „Dann ist die Abrechnung transparenter und das Rechnungsmanagement einfacher“, findet Hackl. Das merkt auch der Bäckermeister. „Im Idealfall müssten wir abends nur noch einen Knopf drücken und die Tagesabrechnung ist gemacht.“ Noch hat der Düsseldorfer aber eine kleine Kasse mit Wechselgeld für ganz sture Kunden. „Da kommt am Tag aber so wenig Geld zusammen, dass ich den Kassenschluss als Aufgabe guten Gewissens mal delegieren kann.“ Und es gibt noch einen Vorteil: Gauert muss jetzt nicht mehr jeden Tag zur Bank gehen.

Beispielfall Friseur

Die lästigen und gefährlichen Wege zur Bank brachten auch Ralf Steinhoff und seine Frau Astrid ins Grübeln. Die beiden führen einen Friseursalon in Reutlingen, er als Diplom-Kaufmann, sie als Friseurmeisterin. Als die Finanzbehörden beschlossen, dass das Finanzamt unangekündigt zur Kassennachschau vorbeikommen dürfe, reichte es dem Ehepaar. Denn solche Besuche sind für Mitarbeiter und Kunden sehr stressig. Vor allem aber ging es dem Paar darum, das auszumerzen, was sie als einen „Generalverdacht gegenüber Friseuren” empfinden. „Leider gibt es immer wieder Salons, die schwarz arbeiten und sich aus der Bargeldkasse bedienen“, sagt Steinhoff. „Unter diesem Image leiden ehrliche Friseure wie wir.“ Und auch in ihrem Salon kam es ab und zu vor, dass die Kasse am Abend nicht stimmte. „Das ist für die Mitarbeiter genauso unangenehm, wenn 25 Euro fehlen und alle unter Verdacht stehen.“

Bargeldlos schafft Transparenz

Diese Probleme haben die Steinhoffs seit Jahresbeginn 2020 nicht mehr. Denn seitdem nehmen sie nur noch Kartenzahlungen an. „Wir können am Abend früher Schluss machen, unsere Mitarbeiter fühlen sich besser und weder ich noch meine Frau müssen mit viel Bargeld im Dunkeln zur Bank laufen“, fasst Ralf Steinhoff zusammen. Das Ehepaar hat nicht mal eine Notfallwechselkasse wie Bäckermeister Gauert. Die einzige Ausnahme: Wer will, kann mit Scheinen in exakter Summe eine Gutscheinkarte oder sein Kundenkonto aufladen und damit zahlen.

Die Umstellung hat bei den Reutlingern gut funktioniert. Ihre Mitarbeiter hat das Ehepaar früh informiert und deren Fragen beantwortet. Alle Kunden erhielten vorab eine Info bei ihrem Salonbesuch vor Einführung des bargeld­losen Zahlens oder per Mail. „Beschwert hat sich kaum einer. Wir haben es aber jenseits unserer Kundschaft auch nicht an die große Glocke gehängt“, so Steinhoff. Denn er hatte schon geahnt, dass es sonst böse Kommentare von Menschen hagelt, die gar nicht seine Kunden sind – so wie es Bäckermeister Gauert ergangen ist.

Steinhoff ermutigt andere Friseure in Deutschland, es ihm gleich zu tun und steht mit Rat und Tat zur Seite. Dazu hat er eigens die Facebookgruppe „Bargeldlose Friseure“ gegründet. Die 247 Mitglieder tauschen sich dort über Systeme und Kosten aus. Ein häufiges Problemthema ist das Trinkgeld. Denn dieses ist per Gesetz steuerfrei. Bei klassischen Trinkgeldkassen, die an der Theke stehen, ist das kein Problem. Die erfordern aber nun mal, dass Kunden Bargeld einwerfen. Einfach die Summe am Kartenterminal aufzurunden ist auch keine Lösung: „Zum einen müssen wir dann kompliziert auseinanderrechnen, wem nun welches Trinkgeld zusteht“, klagt Steinhoff. „Zum anderen ist das Trinkgeld nicht mehr steuerfrei, wenn wir es zusammen mit dem Gehalt überweisen.“

Trinkgelder bleiben steuerfrei

Terminalanbieter wie Sumup oder Concardis werben zwar mit integrierten Trinkgeldlösungen, die überzeugen Steinhoff aber nicht. „In der Regel läuft es dann nämlich darauf hinaus, dass die Trinkgelder doch versteuert werden.“ Der Diplom-Kaufmann setzt darum auf eine andere Lösung. In der Salonkasse wird das Trinkgeld wie eine Dienstleistung auf den Namen des Mitarbeiters gebucht. Nur aufgrund der direkten Zuordnung des Geldes dürfen die Steinhoffs das Trinkgeld treuhänderisch verwalten und steuerfrei an die Mitarbeiter auszahlen.

Die Technische Sicherheitseinrichtung (TSE) der Kasse, wie sie für alle elektronischen Registrierkassen Pflicht ist, macht den Vorgang für das Finanzamt nachvollziehbar. Schließlich soll wirklich nur das Trinkgeld steuerfrei bleiben – nicht etwa andere Dienstleistungen.
Dennoch gibt es zusätzliche Trinkgeldkassen für Cash am Empfang des Salons. Manchmal fragen ihn Kunden, was denn bei einem Stromausfall wäre, da ginge ja auch mit der Kartenzahlung nichts mehr. Aber das lässt Steinhoff kalt. „Im Notfall schreiben wir eben Rechnungen und die Kunden überweisen“, sagt er mit einem Achselzucken. Und er ergänzt: „Was viele nicht bedenken: Ohne Strom können wir gar nicht im Salon arbeiten. Bargeld hin oder her.“