Bürkle & Schöck "Seifriz"-Gewinner 2024: Hochspannungstestspulen für Windkraftanlagen unterstützen die Energiewende

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Energieeffizienz, Geschäftsideen und Technologietransfer

Mit ihrem Projekt „Hochspannungstestspulen für Windkraftanlagen“ hat ein Duo aus Stuttgart die diesjährige Jury des ­Seifriz-Preises überzeugt. Die prämierte Innovation trägt ­maßgeblich zur Energiewende bei. Die Hintergründe.

Thomas Bürkle (rechts), der mit seinem Bruder Stefan Bürkle (links) die Geschäfte von Bürkle & Schöck führt, mit Dr.-Ing. Michael Beltle von der Uni Stuttgart (Mitte) vor einer kleineren Luftspule.
Thomas Bürkle (rechts), der mit seinem Bruder Stefan Bürkle (links) die Geschäfte von Bürkle & Schöck führt, mit Dr.-Ing. Michael Beltle von der Uni Stuttgart (Mitte) vor einer kleineren Hochspannungstestspule. - © Christian Mader

Schweres Gerät in der Stuttgarter Gewerbestraße 38. Gekonnt hebt der rote Kran die XXL-Luftspule von Bürkle & Schöck auf den Sattelauflieger des Lkw. Damit der diesjährige Seifriz-Preisträger später auch sicher beim Kunden ankommt, muss der Kran knapp sieben Tonnen bewegen, was in etwa dem Gewicht von sieben Klein­wagen entspricht. Alles zu sehen in einem Youtube-Mitschnitt, der gut die Dimen­sionen des Siegerprojekts verrät.

„Um Windräder im hohen Kilovolt-Bereich der Betriebsspannung testen und prüfen zu können, benötigt es spezielle Prüfspulen“, erklärt Thomas Bürkle während der Preisverleihung im Handwerksbetrieb. „Wir sind weltweit der einzige Anbieter, der solche Prüfspulen zum Test- und Prüf­verfahren und zur zertifizierten Leistungsmessung von Windkraftanlagen produziert“, sagt er stolz. Kein Wunder, dass sich die Stuttgarter als Profis für Induktivitäten und zukunfts­orientierte Elektrotechnik verstehen. „Luftspulen sind eine Spezialität hier im Haus“, so der Handwerkschef.

Kunden sind weltweite Prüfanlagenbauer

Damit es überhaupt so weit kommen konnte, hat sich das 1932 gegründete Traditionsunternehmen, das heute über fünf eigenständige Geschäfts­bereiche verfügt und rund 120 Mitarbeiter beschäftigt, die Expertise der Wissenschaft ins Boot geholt – und von diesem entscheidenden Know-how-Transfer profitiert. Wie umgekehrt übrigens auch. „Wir sprechen eine Sprache“, betont Dr.-Ing. Michael Beltle vom Institut für Energieübertragung und Hochspannungstechnik (IEH) an der Universität Stuttgart, einem Steinbeis-Transferzentrum. Der Wissenschaftler zeichnet dort als Standortleiter Nellingen und Abteilungsleiter EMV verantwortlich. Und Diplom-Ingenieur Thomas Bürkle ergänzt: „Herr Beltle erklärt komplexe Dinge sehr gut. Und das ist auch wichtig, denn meine Kunden müssen diese ja auch verstehen.“ Sprich die weltweiten Prüf­anlagenbauer.

Hochspannungstestspulen sind Lukrative Nische

„Die Nische steht dem Handwerk sehr gut“, betont Prof. Dr. Michael Auer bei der Preisübergabe im Betrieb. Ein herausragendes Projekt, eine Top-Zusammen­arbeit und ein erfolgreicher Transferprozess, so bringt es der Vorstand der Steinbeis-Stiftung und Juryvorsitzende des „Seifriz“ auf den Punkt. Zudem zeigt das Siegerprojekt laut Rainer Reichhold, Präsident von Handwerk BW und Präsident der Handwerkskammer Region Stuttgart, dass das Handwerk einen Schritt weitergehen und somit vorausgehen möchte. Doch es gibt Reichhold zufolge noch einen weiteren wichtigen Aspekt, warum ihm der Preis als Vorsitzender des veranstaltenden Vereins Technologietransfer Handwerk e.V. so am Herzen liegt. „Der ‚Seifriz‘ ist immer eine Auszeichnung für ein Team. Das finde ich klasse!“

Enger Austausch

Mit den großen Luftspulen hat der Handwerksbetrieb aus Stuttgart-Vaihingen mutig neue Wege beschritten – und in der Nische investiert. Insgesamt flossen 350.000 Euro und sechseinhalb Personenmonate in das ambitionierte Projekt. Das Ergebnis: eine Produktneuheit für den Handwerksbetrieb, ein neues Messverfahren für die Branche. Doch wie lief die Zusammenarbeit zwischen Handwerk und Wissenschaft konkret ab? Die Partner analysierten zunächst die XXL-Luftspulen auf Fehler hin und passten deren Bauweise an. „Bei den Baumustern kam es nämlich zu Spannungsüberschlägen“, erinnert sich Thomas Bürkle. Doch damit nicht genug. Da es nach der Auslieferung der ersten XXL-Luftspulen Anwendungsfehler beim Kunden gab, ermittelte man gemeinsam die Gründe dafür und stellte diese durch verbesserte Isola­tionssys­teme ab. Mit der Folge, dass zusätzliche Hochspannungsprüfungen im IEH-Labor in Nellingen nötig waren.

Hochspannungstestspulen erfordern handwerkliches Können

Luftspulen in den verschiedensten Größen – wer bei Bürkle & Schöck die unterschiedlichen Produkte sieht, versteht schnell, wie exakt bei der XXL-Variante gearbeitet werden muss. So setzt der Betrieb beim Wickeln des Aluminium­bandes auf eine ­Lasermarkierung, um die Genauigkeit garantieren zu können. Zwischen die Bänder kommt dann Isolier­folie. Da braucht es handwerkliches Geschick, wie auch der Blick in die technischen Daten der XXL-Spulen zeigt:

  • Durchmesser: rund 3,0 Meter
  • Gewicht: circa 6,8 Tonnen
  • Spannung: 72 Kilovolt
  • Kurzzeitstrom: 3.000 Ampere

„Wir haben die Grundidee zum Gebrauchsmuster angemeldet und können dieses Geschäftsfeld weiterentwickeln“, blickt Thomas Bürkle optimistisch in die Zukunft.

Hintergrund: Das ist der „Seifriz“

Der renommierte „Seifriz – Transferpreis Handwerk + Wissenschaft“ wird unter der Federführung von Handwerk BW durch den Verein Technologietransfer Handwerk e.V. und in Zusammenarbeit mit handwerk magazin veranstaltet. Partner des Preises sind Holzmann Medien und die Signal Iduna Gruppe für Versicherungen und Finanzen, die die Hauptpreise stiften. Der neue „Sonderpreis für ganzheitliche Nachhaltigkeit“ wird von der IKK classic dotiert. Die Preisgelder: insgesamt bis zu 25.000 Euro – plus Teilnahme am Kongress „Zukunft Handwerk“, der vom 28. Februar bis 1. März 2024 in München stattfand.