Helmut Ecklkofer: "Schreiben Sie es auf"

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Mit einem Tagebuch strukturiert Bauunternehmer und Kolumnist Helmut Ecklkofer sein Leben – und freut sich auf Nachahmer.

Täglich Tagebuch führen: Das Aufschreiben hilft in der schnell­lebigen Welt, die Gegenwart von der Zukunft zu trennen.
Täglich Tagebuch führen: Das Aufschreiben hilft in der schnell­lebigen Welt, die Gegenwart von der Zukunft zu trennen. - © Natalie Board-stock.adobe.com

Wissen Sie noch, wo Sie am 15. Januar 2015 ­waren? Ich war in Indien am Taj Mahal. Zugegeben, das Leben läuft in einem rasenden ­Tempo. Deshalb habe ich vor vielen Jahren angefangen, Tagebuch zu schreiben. Ich notiere täglich, was so in der Welt geschieht, was bei mir persönlich passiert und was in der Firma so vorfällt.

Routine gegen das Vergessen

Das Aufschreiben ist zu einem festen Bestandteil meines Tages geworden. Eine Art Morgen-Meditation, um in den Tag zu starten, und am Abend nochmals, um den Tag zu reflektieren. Es ist Routine geworden. Meine Routine gegen das Vergessen! Es ist eine wunderbare Art, das Leben zu strukturieren. Mein Tagebuch hilft mir in unserer schnelllebigen Welt, die Gegenwart von der Zukunft zu trennen. Die Fantasie von der Realität. Das Gute vom Bösen. Ich liebe Gegensätze – jedoch überlagern so viele Nachrichten mein Gehirn.

Früher hatte jeder Mensch 1.000 Gegenstände, jetzt sind es schon 10.000. Alleine dieser Umstand bringt mich in einen schwankenden Gemütszustand. Besonders als Unternehmer. Aber auch im Privaten gilt es jeden Tag viele Entscheidungen zu treffen. Zwischen Hunderttausend Buchtiteln, zwischen Millionen Songs, die per Streaming angeboten werden. Es wird zunehmend schwieriger, sich auf etwas zu konzentrieren.

Eine gewisse Balance finden

Da ist es doch gut, über sich selbst die Kontrolle zu behalten. Eine gewisse Balance zu finden zwischen innen und außen, zwischen Yin und Yang, laut und leise, Beruf und Privatem. Es ist scheinbar ein Grundbedürfnis unserer Zeit, sich immer und überall sicher zu fühlen. Wir verwenden viele Stunden damit – kontrollieren, vergleichen, stimmen ab. Es sind dann Rituale, also feste Strukturen, die einem Halt geben. In einer Welt der Widersprüche und Absurditäten.

So habe ich mir angewöhnt, manche Dinge immer gleich und zum gleichen Zeitpunkt zu tun. Es beruhigt auch mich, der ich ansonsten ein sehr kreativer und spontaner Mensch bin. Es ­entlastet meine Aufmerksamkeit und meine Gedanken. So sind viele Glaubenssätze, die sich ständig verändern, leichter auszuhalten. Die Rückschau im Tagebuch lässt mich manchmal schmunzeln: All die Sorgen und kleinen „Unglückstage“ stellten sich nach Jahren als unnötig dar. Die Aufregung war ganz umsonst. Manchmal muss ich ­lachen, wenn ich die Einträge samt ­Bildern ansehe. Danach bin ich glücklich und strahle eine gewisse Ruhe und Gelassenheit aus. Ein überaus positives Gefühl stellt sich ein.

Ich schreibe das Tagebuch seit zehn Jahren in digitaler Form. Auf dem iPhone, dem iPad oder auf dem Mac. Ich nehme mir jeden Tag dafür Zeit. Ich bin jedoch nicht der Einzige, der das tut. Meine Mutter hat für meinen Sohn ein ganz besonderes „Tagebuch“ geschrieben. Vom Tag seiner Geburt an im Jahr 2000 bis zum Jahr 2021 – bis zu seinem 21. Geburtstag. Da wurden ihm die Hunderten handgeschriebenen Seiten mit all den kleinen „Devotionalien“ wie Eintritts- und Ansichtskarten, gepresste Blüten und viele andere kleine Dinge übergeben. Natürlich auch in digitaler Form: als Speicherkarte.

Es war sicher eines der größten Geschenke, die man einem Menschen machen kann. Sein Leben Tag für Tag zu dokumentieren mit all den Facetten. Mit all den Höhepunkten und seinen vielen ereignis­reichen Tagen, seiner Lebendigkeit, der Spontaneität und der Improvisation.

Beruhigt und gibt Lebenskraft

Im Rückblick sieht das Leben eines jungen Menschen heute aus wie eine sehr bunte Aneinander­reihung von wunderschönen überbelichteten Bildern auf Instagram. Keine Spur von der Dauerangst, die seit Jahren in Deutschland spürbar ist. Es ist wie ein Loslassen, ein In-den-Tag-Leben, eine Art Life-Life-Balance, gepaart mit viel ­Vertrauen. In sich selbst, aber auch in andere. Das beruhigt und gibt Kraft. ­Lebenskraft, die wir alle so dringend brauchen.

Ich öffne mit einer Geste die Tagebuch-App auf meinem iPad. Unromantisch, werden Sie denken. Ja, früher habe ich auch mit Stift und Papier gearbeitet. Jetzt wird das Tagebuch auch zu einem Bilderbuch. Und wie ich hoffe, übersteht es auch die vielen weiteren Jahre wie ein „richtiges“ Buch. Das digitale Tagebuch habe ich immer dabei. So kann ich viele Eindrücke just in time eintragen. Dadurch werden die Einträge lebendiger, authentischer und bildhafter. Ich schreibe mir viele negative Dinge von der Seele. Sie sind dann sofort aus meinem Kopf verschwunden. Der Tag wird nochmals „gecheckt“. Ergebnis: Dankbarkeit und Demut für das große Geschenk „Leben“ in unserem Land, in Deutschland.

Also, worauf warten Sie noch. Schreiben Sie sich Ihre Gedanken von der Seele. Sie werden sehen, es beruhigt und macht täglich glücklich.

Nah am Geschehen

Die Kolumne „Nah am Geschehen“ von Helmut Ecklkofer können Sie mehrmals im Jahr in handwerk magazin lesen. Mit seinen Geschichten möchte der Neuöttinger Handwerksunter­nehmer, Buchautor und Kolumnist die menschliche Seele durchleuchten und Alltagsgedanken in Lebensweis­heiten verwandeln.