Bessere Chancen für Frauen

Unternehmerfrauen | Die Rolle der Frauen im Handwerk ist vielfältig und verbessert sich für die jüngere Generation. Für das Handwerk und seine Betriebe stellen gut ausgebildete Frauen einen Gewinn dar.

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    © Alasdair Jardine
    UnternehmerinHelma Hartgen hat nach dem Tod ihres Mannes mit Engagement und Durchsetzungskraft für den Erhalt der Hartgen GmbH Maschinen- und Mühlenbau gekämpft. Diese Leistung würdigte handwerk magazin mit dem Preis „Unternehmerfrau 2010“.
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    © handwerk magazin
    Eine aktuelle Studie des Ludwig-Fröhler-Instituts belegt, dass die Mehrheit der mitarbeitenden Partner im Betrieb Frauen sind. Nur eine Minderheit ist Teilhaberin oder Geschäftsführerin.
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    Keine Absicherung: 19,9 Prozent der mitarbeitenden Partner haben keine eigene Altersvorsorge abgeschlossen.
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    „Gut ausgebildete junge Frauen sind ein Gewinn für jeden Betrieb.“Heidi Kluth, Bundesvorsitzende der Unternehmerfrauen im Handwerk.
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    Mitarbeitende PartnerinAlexandra Bezler war vor ihrem Einstieg in den Betrieb ihres Mannes, Bezler Heizungstechnik, Filialleiterin einer Bank. Heute verantwortet die 37-jährige Mutter von zwei Kindern die Kommunikation mit der Hausbank und dem Steuerberater sowie die Finanzplanung des Unternehmens in Kirchheim/Teck.
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    © KD Busch
    GründerinSimone Heinrich-Warths Berufswunsch war schon in der Ausbildung klar: Unternehmerin. Vor zwei Jahren hat sie dann alleinverantwortlich die Heinrich Haustechnik GmbH gegründet. Vor sechs Wochen kam ihr Sohn Tim-Lean auf die Welt. Für ihn hat die Unternehmerin eine berufliche Pause von einer Woche eingelegt - als sie für die Geburt im Krankenhaus war.
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    „Die Position der Frauen im Handwerk hat sich positiv verändert, aber es gibt noch Raum für Verbesserungen.“Ruth Baumann, Vorsitzende der Unternehmerfrauen im Handwerk Baden-Württemberg
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    Autorin: Cornelia Hefer

Bessere Chancen für Frauen

Helma Hartgen hat sich über die Auszeichnung „Unternehmerfrau 2010“ riesig gefreut: „Für mich ist der Preis ein großes Kompliment. Er ist eine Anerkennung dafür, was ich in den vergangenen Jahren geleistet habe.“ Die Unternehmerin hat gute Gründe, stolz auf ihre Leistung zu sein: Nach dem Unfalltod ihres Mannes, Ralf Hartgen, 1997 musste sie von jetzt auf gleich einspringen und die Unternehmensführung der Hartgen GmbH in Hude bei Bremen mit damals 15 Mitarbeitern übernehmen. Gleichzeitig hatte die Unternehmerin drei kleine Kinder alleine zu versorgen. „Sicher, denkt man in einer solchen Extremsituation auch daran, aufzugeben – den Betrieb einfach zu verkaufen, weil einem alles über den Kopf wächst“, schildert Helma Hartgen ihre Gedanken von damals.

Unterstützung einfordern

Die heute 50-Jährige hat nicht aufgegeben, sie hat die Herausforderung angenommen und sich gegen alle Widerstände durchgesetzt: für die Existenz des Betriebs und den Zusammenhalt der Familie. „Nach dem Tod meines Mannes bekam ich sofort praktische Unterstützung und Hilfe von den männlichen Kollegen der Metallinnung Oldenburg. Auch meine Mitarbeiter haben in dieser Zeit viel Verantwortung übernommen“, berichtet die Unternehmerin. Ihren leitenden Ingenieur hat sie aus dem Ruhestand zurückgeholt, um den Betrieb fachlich weiterführen zu können.

Unternehmerin mit Kampfgeist

Ohne ihre Ideen, ihren Einsatz und den Willen, das mit ihrem Mann gemeinsam gegründete Unternehmen weiterzuführen, würde die Hartgen GmbH heute nicht mehr existieren. Die Unternehmerin ist eine Kämpfernatur: Sie verfolgte ihr Ziel, den Betrieb nach dem Tod des Chefs zu halten. Geholfen haben ihr dabei ihr Netzwerk zu anderen Unternehmern, die eigene Ausbildung als technische Zeichnerin im Maschinenbau und eine betriebswirtschaftliche Weiterbildung kurz vor dem Unfall. „Die Jury war beeindruckt von diesem Kraftakt: Helma Hartgen baute nach einem schweren Schicksalsschlag den Betrieb erfolgreich aus. Darüber hinaus hat sie Kinder und Beruf unter einen Hut gebracht, was unter diesen Umständen eine herausragende Leistung darstellt“, begründet Holger Externbrink, Chefredakteur von handwerk magazin, die Entscheidung der Jury.

Wie das Beispiel der diesjährigen Unternehmerfrau zeigt, sind Frauen im Handwerk unverzichtbar. Ihre Rolle ist heute vielfältig und nur selten festgelegt: Sie reicht von der gestandenen Unternehmerin, über die mitarbeitende Partnerin bis hin zur Gründerin, die sich bewusst für die Selbständigkeit entscheidet. Haben frühere Frauengenerationen bis zur Selbstaufgabe im Schatten des Mannes für den Betrieb als billige Arbeitskraft gearbeitet, verbessert sich heute die Position der Frauen durch gute Aus- und Weiterbildungsangebote zunehmend. Daher leben gerade jüngere Frauen in der Familie und im Betrieb das Modell einer gleichberechtigten Partnerschaft. Aufgrund einer besseren Qualifikation trauen sich gerade jüngere Frauen mehr Verantwortung zu und gestalten die Unternehmensführung aktiv mit. „Die Position der Frauen im Handwerk hat sich in den vergangenen Jahrzehnten positiv verändert, aber es gibt noch Raum für Verbesserungen“, sagt Ruth Baumann, Vorsitzende der Unternehmerfrauen in Baden-Württemberg.

Handlungsbedarf besteht zum Beispiel bei der Absicherung der mitarbeitenden Partnerin. Denn sie stellt im Handwerk immer noch die Mehrheit dar (siehe Grafik Seite 13). Eine aktuelle Studie des Ludwig-Fröhler-Instituts im Auftrag der Unternehmerfrauen des Handwerks (UFH)zeigt, dass immer noch 15,7 Prozent der Partnerinnen ohne Arbeitsvertrag mitarbeiten. Und 19,9 Prozent haben keine eigene Altersvorsorge (siehe dazu auch Checkliste rechts).

Bildung ist die beste Versicherung

Ein positives Beispiel für eine mitarbeitende Unternehmerfrau ist dagegen Alexandra Bezler. Als Bankfachwirtin brachte sie notwendiges Fachwissen mit in den Heizungstechnikbetrieb ihres Mannes in Kirchheim/Teck bei Stuttgart. „Angefangen habe ich als Mädchen für alles. Heute verantworte ich den gesamten kaufmännischen Bereich: die Personalplanung, die Kommunikation mit der Bank und dem Steuerberater sowie die Finanzplanung des Unternehmens.“ Trotz einer Teilzeit-Stelle arbeitet Alexandra Bezler 35,5 Stunden für die Firma – auch abends oder am Wochenende. Und das für eine geringe gesellschaftliche Anerkennung. „Die Außenwelt sieht den Handwerksmeister als tollen Chef, der immer arbeitet. Die Frau bleibt auch heute noch in der Wahrnehmung im Hintergrund“, so Alexandra Bezler. Zwar steht ihr Mann als Handwerker und Chef an der Spitze der Firma, die Bezlers treffen strategische Entscheidungen aber gemeinsam. „Ich stehe nicht mehr hinter, sondern neben meinem Mann“, betont Alexandra Bezler und spielt damit auf die Zeit an, als die Aufgabe der Frau sich darauf beschränkte, dem Meister im Betrieb und zuhause den Rücken freizuhalten.

„Gut ausgebildete Frauen, die aktiv mitarbeiten und gestalten, sind ein Gewinn für jeden Handwerksbetrieb, weil sich dann beide Partner die Verantwortung teilen“, sagt Heidi Kluth, Bundesvorsitzende der Unternehmerfrauen im Handwerk. Außerdem ist eine gute Ausbildung und weiterführende Qualifikationen für Frauen im Handwerk „die beste Absicherung bei Tod des Mannes oder Scheidung“, ergänzt Ruth Baumann, Vorsitzende der Unternehmerfrauen in Baden-Württemberg. Den besten Beweis für diese Aussage liefert Helma Hartgen:Ihre Ausbildung als technische Zeichnerin und eine kaufmännische Zusatzausbildung erleichterten ihr den plötzlichen Einstieg in die Unternehmensführung (siehe Kasten Seite 14).

Wissen stärkt Selbstbewusstsein

Nach Aussage von Claudia Schlembach, Beraterin mit Schwerpunkt Familienunternehmen, ist Alexandra Bezler als mitarbeitende Partnerin ein Vorbild (siehe Interview rechts). „Frauen, die ins Handwerk gehen, brauchen Fachwissen in allen Bereichen, die nicht an Mitarbeiter delegiert werden können wie Finanzen, Marketing oder Personalplanung. Nur so können sie strategische Entscheidungen treffen.“ Außerdem gewinnen sie „mehr Sicherheit gegenüber Mitarbeitern und Kunden“, meint Ruth Baumann.

Wie wichtig Fachwissen für Frauen im Handwerk ist, unterstreicht auch die Initiative der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade. Die Kammer richtete bereits 1993 eine Koordinierungsstelle zur Frauenförderung ein. Sie berät und schult Unternehmerinnen, mitarbeitende Ehefrauen, Meisterinnen, Gründerinnen und junge Frauen, die eine Ausbildung im Handwerk anstreben. Dass ein hoher Informationsbedarf besteht, belegen die Zahlen. „2009 haben wir 250 Beratungsgespräche mit Frauen zum Wiedereinstieg in den Beruf nach der Familiengründung geführt“, sagt Matthias Steffen, Geschäftsbereichsleiter bei der norddeutschen Kammer. Er betont, dass Fachwissen alleine nicht ausreicht: „Auch Schulungen in den sogenannten weichen Bereichen wie Personalführung vermitteln notwendiges Selbstbewusstsein für die Unternehmensführung.“ Mit diesem speziellen Beratungs- und Weiterbildungsangebot für Frauen in verschiedenen Positionen und mit unterschiedlichen Aufgaben im Handwerksbetrieb ist das Angebot der Kammer bisher leider noch eine Ausnahme.

Leidenschaft fürs Handwerk

Für die nachfolgende Generation von Frauen, die sich bewusst für die Selbständigkeit und den Wirtschaftszweig Handwerk entscheidet, steht Simone Heinrich-Warth: Die 37-jährige Elektrotechnikmeisterin mit Schwerpunkt Gebäude und Energietechnik ist gut ausgebildet und zielorientiert. Ihr Berufswunsch war schon in der Ausbildung klar: Unternehmerin. „Auf eigenen Füßen zu stehen, eigene Entscheidungen zu treffen hatte für mich bei der Berufswahl die erste Priorität“, sagt die Jungunternehmerin. Nach ihrer Ausbildung als Versicherungskauffrau absolvierte Simone Heinrich-Warth ihre zweite Lehre als Elektrotechnikerin im elterlichen Betrieb, arbeitete zwei Jahre als Gesellin und legte 2002 ihre Meisterprüfung ab. Vor zwei Jahren wagte sie den Schritt in die Selbständigkeit und gründete alleinverantwortlich die Heinrich Haustechik GmbH in Korb bei Stuttgart. Als entscheidenden Moment ihrer Gründung beschreibt Simone Heinrich-Warth den wichtigsten Banktermin: „Wenn man seine Unterschrift unter den Kredit setzt, dann weiß man, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Das hat mir schon Angst eingejagt, weil man ein hohes finanzielles Risiko eingeht“, sagt die Unternehmerin. Heute beschäftigt sie drei Mitarbeiter und findet, dass es „ein sehr gutes Gefühl ist, selbständig zu arbeiten“.

Frauen fehlt oft der Mut

Diesen Mut, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen, haben nicht viele junge Frauen im Handwerk. Das belegt eine aktuelle Studie der Fachhochschule des Mittelstands, „Gründerinnen im Handwerk“. Nur jede vierte Neugründung geht auf das Konto einer Frau. Wer Unternehmerin als Berufswunsch realisieren möchte, muss oft Familie und Beruf unter einen Hut bringen, über ausreichend Eigenkapital verfügen, darf nicht risikoscheu sein und muss sich das Projekt auch wirklich zutrauen. Aber dieses Selbstbewusstsein fehlt jungen Frauen. Denn sie unterschätzen ihre Fähigkeiten und verkaufen ihre Vorhaben schlecht, so ein weiteres Ergebnis der Studie. „Gründerinnen sollten sich auf ihre Chancen konzentrieren. Sie können Familie und Kinder in ihren Berufsalltag integrieren. Diese Möglichkeit haben nur wenige Frauen“, sagt Expertin Schlembach.

Genau diese Chance hat Simone Heinrich-Warth genutzt. Ihr Sohn Tim-Lean ist knapp sechs Wochen alt und hat bereits ein eigenes Kinderzimmer im Betrieb. „Als Unternehmerin mit Kind bin ich flexibel. Ich kann heute arbeiten, wo ich will – im Büro oder zuhause.“ Aber auch starke Frauen brauchen privaten Rückhalt:„Ohne die Unterstützung von meinem Mann und der Familie ist das kaum möglich.“

cornelia.hefer@handwerk-magazin.de

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