Interview Tischlermeister Franz Vogel: "Mehr junge Menschen begeistern"

Den Junioren des Handwerks liegt die zukunftsorientierte Ausbildung besonders am Herzen, wie ein aktuelles ­Maßnahmenpapier zeigt. Sechs Fragen an Franz Vogel zu den Hintergründen.

Tischlermeister Franz Vogel bildet selbst aus – und ist somit ganz nah dran an den aktuellen Herausforderungen.
Tischlermeister Franz Vogel bildet selbst aus – und ist somit ganz nah dran an den aktuellen Herausforderungen. - © Franz Vogel
handwerk magazin: Herr Vogel, Sie machen sich für eine zukunftsorientierte Ausbildung stark. Können Sie bitte in einem Satz beschreiben, was Sie darunter verstehen.

Franz Vogel: Für eine zukunftsorientierte Ausbildung im Handwerk müssen alle maßgeblichen Akteure Hand in Hand daran arbeiten, praxis­taugliche Maßnahmen und Lösungsansätze zu finden, die nachhaltig dazu beitragen, eine qualitative und attrak­tive handwerkliche Ausbildung zu gewährleisten, um mehr junge Menschen für das Handwerk zu begeistern.

In Ihrem jüngst vorgelegten Maßnahmenpapier „Zukunftsorientierte Ausbildung“ haben Sie sich für drei Schwerpunkte entschieden – warum?

In unserem Maßnahmenpapier zeigen wir Handlungsbedarf bei den Themen­feldern „Modernisierung und Entlastung“, „Schaffung von Gleichwertigkeit“ und „Förderung von Kompetenzen“ auf. Gezielte Modernisierungs- und Entlastungsmaßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsrahmenbedingungen helfen dabei, die Ausbildung im Handwerk zu stärken, indem sowohl Auszubildende als auch Ausbildungsbetriebe unterstützt und gefördert werden. Eine echte Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bildung ist ebenfalls unabdingbar, um die Wertschätzung für eine Ausbildung im Handwerk zu erhöhen. Handwerksberufe müssen im Bildungssystem einen deutlich höheren Stellenwert einnehmen als bisher. Schließlich ist auch eine notwendige und kontinuierliche Kompetenzförderung von Auszubildenden bis hin zu Prüferinnen und Prüfern entscheidend, um die Attrakti­vität einer Handwerksausbildung mittels einer zukunftsfähigen Berufsbildungsinfrastruktur zu steigern.

Bei welchem der drei Themenfelder sehen Sie den größten Handlungsbedarf?

Sicherlich ist vor allem der Abbau bürokratischer Hürden im gesamten Ausbildungsprozess als zentraler Baustein zu nennen. Auch die Stärkung der beruflichen Orientierung mit Bezug zum Handwerk an allen Schulen, inklusive Gymnasien, ist entscheidend, um die Lust junger Menschen an einer Handwerksausbildung zu entfachen. Außerdem ist es notwendig, die Exzellenzinitiative im Bereich der beruflichen Bildung dauerhaft weiterzuentwickeln. Entscheidend für eine erfolg­reiche Zukunft der Ausbildung im Handwerk ist jedoch letztlich das Zusammenwirken aller Maßnahmen.

Sie sind selbst Ausbilder und konnten auf mehreren Ausbilderreisen durch Europa die Ausbildungssysteme in anderen Ländern kennenlernen. Können wir von unseren europäischen Nachbarn in Sachen Ausbildung etwas lernen?

Jedes europäische Land hat einen unterschiedlichen Ansatz. Einige setzen auf eine sehr theorielastige und andere auf eine verstärkt praxisorientierte Aus­bildung, immer mit dem Ziel, einen gut qualifizierten Nachwuchs auszubilden. Ich persönlich habe aus meinen Projekten zwei Dinge besonders mitgenommen. Zum einen, dass einige Länder ein deutlich flexibleres Ausbildungssystem haben, um somit auf neue Einflüsse in den Berufen, wie beispielsweise die Digi­talisierung, besser eingehen zu können, und uns damit einen großen Schritt ­voraus sind.

Und die zweite Erkenntnis?

Ich habe aber auch gesehen, dass in einigen Ländern die traditionellen handwerklichen Fähigkeiten nicht ausreichend gefördert werden, sondern nur noch auf eine schnelle industrielle Fertigung gesetzt wird. Diese Entwicklung sehe ich kritisch. Das traditionelle Handwerk sollte durch eine Stärkung des dualen Aus­bildungssystems auch in Zukunft er­halten bleiben.

Ein kurzer Blick zurück: Was ist Ihnen aus Ihrer eigenen Ausbildung besonders in Erinnerung geblieben?

Meine eigene Ausbildung war insgesamt nicht ganz zeitgemäß – und genau deshalb setze ich mich für eine zukunftsorientierte Ausbildung mit neuen Ansätzen ein. Trotzdem hatten wir auch in meiner Ausbildung einige schöne Projekte. Und besonders das Gefühl, in die Arbeitswelt einzusteigen und etwas im Handwerk selbst zu erschaffen, hat mich in meinem Beruf und im Handwerk gehalten. Und genau das gilt es für uns zu erreichen: die jungen Menschen in das Handwerk zu holen, sie im Handwerk zu halten und mit ihnen das Handwerk weiterzuent­wickeln. Mit unserem Maßnahmenpapier zur zukunftsorientierten Ausbildung möchten wir diesen Prozess anstoßen, unterstützen und entwickeln.

Bundeskongress in Bielefeld

Unter dem Motto „Blick zum Horizont“ findet am 6. und 7. September der Bundeskongress der Junioren des Handwerks 2024 in Bielefeld statt.

Neben dem schon traditionellen wie geselligen Junioren-Abendessen samt Bar-Tour am Kongress-Freitag stehen am Samstag der Juniorenrat, die Geschäftsführerkonferenz sowie die Mitgliederversammlung des Bundesverbandes, aber auch ein Besuch der Sparrenburg inklusive Kasematten-Tour auf dem Programm.

Eine nutzwertige Keynote-Speech zur Künstlichen Intelligenz (KI) im Handwerk von Innovation-Coach und Digital-Stratege Christoph Krause („Service Rebell“) und die legendäre Juniorenparty runden das Event ab. „Wir freuen uns, Euch alle in Bielefeld wiederzusehen und eine gute Zeit miteinander zu verbringen!“, so der Bundesvorstand in seiner Einladung.