Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Die Politik verspielt mit ihrer Doppelmoral das Erbe kommender Generationen

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Altersvorsorge, Mindestlohn, Nachhaltigkeit, Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Was wollen wir noch alles den nächsten Generationen in den Rucksack packen? Absichtserklärungen, die an der Realität scheitern? Schulden, die nicht nur eine, sondern mehrere Generationen abtragen müssen? Eine volatile Demokratie? Die nächsten Generationen verdienen den gleichen Weitblick, auf dem auch wir von unseren Eltern und Großeltern aufbauen konnten. Unsere Kolumnistin Ruth Baumann befasst sich in dieser Folge „Neues von der Werkbank“ mit einer anderen Seite der Nachhaltigkeit.

Ruth Baumann Landesvorsitzende UFH Baden-Württemberg
Ruth Baumann Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg. Gemeinsam mit ihrem Mann führt sie die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. - © privat

Es ist an der Zeit, dass auch die Politik den Begriff „Nachhaltigkeit“ für sich in einem anderen Zusammenhang erkennt. Nachhaltigkeit ist besonders bei wichtigen Entscheidungen elementar. Nicht nur in Bezug auf das Klima, sondern auch in der Sozial- und Wirtschaftspolitik. Werfen wir mal einen Blick auf die Rente. Ist diese wirklich nachhaltig, sicher und kann man auch von ihr leben?

Womöglich kein Erbe für (Teile) kommender Generationen

Die mehrfachen Griffe in die Rentenkasse zeigen in jedem Fall Wirkung und weder Riester-Rente, „Betongold“ noch andere finanziellen Ausflüge haben letztendlich gegriffen. Und auch die Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung leiden nicht nur unter dem demographischen Wandel sowie den steigenden Kosten. Inflation und fehlendes Wirtschaftswachstum wirken aktuell als Brandbeschleuniger.

Trotz sprudelnder Steuereinnahmen braucht es mehr Geld und daher werden die Beiträge steigen. Absichtsbekundungen und leichte „kosmetische“ Eingriffe reichen nicht aus, um dieser Herausforderung Herr zu werden. Wir laufen Gefahr, dass zumindest ein Teil der kommenden Generation dieses Erbe niemals antreten wird. Dies bekräftigen die Betriebsschließungen, wie auch die Abwanderung von gut ausgebildeten Fachkräften ins Ausland.

Falsche Versprechen

Die aktuelle Diskussion um die Erhöhung des Mindestlohnes deutet in meinen Augen auf Hilflosigkeit statt auf konkrete Lösungen hin. Generell hört sich die Forderung nach einem höheren Lohn gut an und bringt „Likes“. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der große Gewinner hierbei nicht unbedingt der Leistende, sondern Vater Staat mit höheren Einnahmen sein wird. Und als Kollateralschaden opfert man dann auch noch die Tarifautonomie. Der Staat verspricht etwas, was er zugleich wieder „einkassiert“: Mehr Einkommen während er Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter vom Platz jagt.

Alles nur ein „Test“?

Die Kalkulation des Bürgergeldes war anscheinend nicht auf Generationen ausgelegt. Die Kosten gehen durch die Decke, das Klimageld für die Bürger wurde „einkassiert“ und höchstwahrscheinlich wird die CO2-Abgabe für das Stopfen anderer Löcher verwendet. In der Zwischenzeit wissen wir ja, dass Umwidmung und Umleitung von Geldern fast schon Programm ist. Man hat uns auf Klimaneutralität eingeschworen, die man so „nebenbei“ für den Preis einer Kugel Eis monatlich erhalten kann.

Der Einbau von Photovoltaik und Wärmepumpen überhitzte den Markt, Lieferengpässe und Personaldecke mussten organisiert werden, um dann letztendlich doch festzustellen, dass es hierbei nur um einen „Test“ ging. Billige Importe aus dem Ausland liegen auf Abruf und manche bereits erteilten Aufträge sollen nicht mehr ausgeführt werden. Die nun geführte Diskussion um Schutzzölle, auch im PKW-Bereich, zeigt entsprechend nur eins: Wer den Wettbewerb aushebelt, kommt aus dem Korrigieren falscher Entscheidungen gar nicht mehr heraus.

Wenn nicht nur Vertrauen verloren geht...

Wenn sich Firmen vom Betriebsstandort verabschieden und wegziehen, kann das auf Dauer nicht „ausgesessen“ werden. Es braucht ehrliche Ursachenforschung und Konzepte (sofern man sie überhaupt hat). Die schmerzliche Wahrheit ist, dass unsere Produkte so nicht wettbewerbsfähig sind, den Leistungsträgern zu wenig Netto vom Brutto bleibt und wir nicht nur innerhalb der EU, sondern wahrscheinlich weltweit als exotisch gelten: Alles auf einmal zu wollen und zugleich die hierfür nötige wirtschaftliche Kraft ideologischen „Tests“ zu opfern. Vertrauen geht hierbei in gleichem Maße wie auch Investitionsbereitschaft, Arbeitsplätze und Facharbeiter verloren. Und ewig grüßt der wachsende Nasenring bei Leistungsträgern, an dem diese durch die Manege geführt werden.

Jeder verspricht (übrigens seit Jahren schon) billigen Wohnraum, doch keiner sagt, wo er entstehen soll, wann es soweit ist und wie das ganze finanziert werden soll. Die Ohren sind fast schon wund von all den Absichtserklärungen wie man den Bürger entlasten will. Die Antwort auf die Fragen nach dem Wie?, Wann? und Womit? erstickt bereits auf dem Papier.

In Generationen und nicht in Legislaturperioden denken

Und lassen Sie mich zu nachhaltiger Politik noch eines sagen: Dazu gehört in besonderer Weise das Handwerk, nicht nur die Industrie. Es wird künftig einfach nicht reichen, die klein- und mittelständischen Unternehmen in Sonntagsreden zu loben, um sie in Gesetzgebungsprozessen zu vergessen oder aber zu überfordern. Ohne das Nahrungsmittelhandwerk, das Bauhandwerk und vielen anderen werden politische Ideen Theorie bleiben, denn die „Umsetzer“ fehlen ganz einfach.

In unserer Gesamtheit sind wir die Wirtschaftsmacht von nebenan, was wir in der Vergangenheit bewiesen haben und in der Zukunft zeigen werden. Wir sind schon per se nachhaltig, weil wir in Generationen und nicht in Legislaturperioden denken – ob mit oder ohne Zertifikate! Und für „Tests“ sind unsere Mitarbeiter und Betriebe zu schade, denn wir wollen die nächsten Generationen ermutigen…

Über Autorin Ruth Baumann:

Bei Ruth Baumann war es ein zart gehauchtes "Ja", das sie in einen mittelständischen Straßenbaubetrieb und damit ins Handwerk brachte: Seit ihrer Hochzeit führt sie gemeinsam mit Ehemann Martin Baumann die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. Trotz ihres abgeschlossenen Hochschulstudiums entschied sie sich damals bewusst, in den Familienbetrieb einzusteigen und bekräftigte dies durch eine weitere Ausbildung zur Bürokauffrau. Zunächst im Ehrenamt bei den Unternehmerfrauen im Handwerk Freiburg, später als Präsidentin des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Baden-Württemberg, war es ihr immer ein besonderes Anliegen, die Mitglieder mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Stolz auf das Handwerk auszustatten. Sie sieht die Unternehmerfrauen als Wirtschaftsverband und vertritt dies auch in der Öffentlichkeit.

Ihre betriebliche Erfahrung wurde in der Folgezeit auch verstärkt in der politischen Theorie nachgefragt und stieß – zu ihrer eigenen Überraschung – auf immer mehr Resonanz. Es folgten unterschiedliche Kommissionen und Funktionen in der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die sie mittlerweile auch auf Bundesebene ausführt. In Interviews, Vorträgen und Podiumsdiskussionen rund um das Handwerk gibt sie parteiübergreifend Einblicke in die Sorgen und Nöte von Familienbetrieben. Jüngst wurde sie in den Bundesvorstand der CDU gewählt und ist dort als "Handwerk mit Mundwerk und akademischen Grad" Mittler zwischen unterschiedlichen Welten.