Neue DGUV Information 209-097 Carpaltunnelsyndrom: Wie Chefs ihre Mitarbeiter vor schmerzenden Handgelenken schützen

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Wie sehr jeder auf funktionierende Finger und Hände im privaten und beruflichen Alltag angewiesen ist, merken die meisten erst, wenn Beschwerden auftauchen. Schmerzende Handgelenke durch das Carpaltunnelsyndrom gehören auch im Handwerk in vielen Branchen zum Alltag. Eine neue DGUV-Information zeigt, wie Betroffene chronische Dauerschmerzen sowie etwaige Operationen vermeiden.  

Carpaltunnel nennen Mediziner einen röhrenartigen Bereich an der Innenseite des Unterarms nahe des Handgelenks, in dem die Sehnen der Finger durchziehen.
Carpaltunnel nennen Mediziner einen röhrenartigen Bereich an der Innenseite des Unterarms nahe des Handgelenks, in dem die Sehnen der Finger durchziehen. - © Silver Place - stock.adobe.com

Im Februar ist eine neue DGUV Information 209-097 erschienen. Sie erläutert, was jeder Betrieb dafür tun kann, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor den als Carpaltunnelsyndrom (CTS oder KTS für Karpaltunnelsyndrom) bekannten Beschwerden zu schützen.

Wunderwerk Hand – enorm leistungsfähig, aber auch empfindsam

Vergleicht man die Hand als wichtiges Arbeitsmittel mit den „externen“ Werkzeugen, werden die faszinierenden Fähigkeiten deutlich. Mit den Händen bedienen wir Pinzetten und Bohrhämmer, Smartphones und Schraubenzieher, Esslöffel und Gabelstapler. Mit ein und demselben „Werkzeug Hand“ können wir schlagen und streicheln, Texte schreiben und Fahrzeuge lenken. Wie selbstverständlich wir ständig unsere Hände benötigen, wird oft erst bewusst, wenn eine Hand verletzt ist und ruhiggestellt werden muss.

Nicht zufällig wurde die Information zum Carpaltunnelsyndrom vom Fachbereich Holz und Metall der DGUV herausgegeben. Denn in holz- und metallbearbeitenden Betrieben sind manuelle Tätigkeiten an der Tagesordnung. Greifen, Heben, Halten, Ziehen, Drücken, Drehen, Loslassen – die 39 Muskeln, 27 Knochen und 36 Gelenke der Hände plus Sehnen und Bänder, dazu Nerven und Sinnesrezeptoren sind in besonderer Weise gefordert. Nur wenn alle Komponenten zusammenwirken ist ein präzises, kraftvolles und schmerzfreies manuelles Arbeiten möglich.

Engpass: Warum der Carpaltunnel so empfindlich ist

Carpaltunnel nennen Mediziner einen röhrenartigen Bereich an der Innenseite des Unterarms nahe des Handgelenks, in dem die Sehnen der Finger durchziehen. Da auch die Nerven zum Mittelarm (Nervus Medianus) an der gleichen Stelle verlaufen, kommt es bei einer Verengung dieses Karpaltunnels leicht zu Beschwerden. Der Druck auf die Nerven kann nicht nur Schmerzen an Daumen und Fingern auslösen, es kommt auch zu Störungen des Tastgefühls und Lähmungserscheinungen bis zu Muskelschwund. Mediziner sprechen von einem Medianuskompressionssyndrom, doch Carpaltunnelsyndrom ist die gebräuchlichere Bezeichnung für dieses Beschwerdebild, das seit 2013 als Berufskrankheit anerkannt ist.

Häufiger Grund für Beschwerden: Mechanische Überlastungen

Neben Menschen, bei denen der Carpaltunnel besonders eng ist, oder bei denen eine Entzündung im Bereich der Hand vorliegt, gilt mechanische Überlastung durch manuelle Tätigkeiten als häufiger Auslöser der Beschwerden. Werden die Symptome frühzeitig erkannt, können bestimmte Übungen der Finger und Hände sowie Kälte- oder Wärmetherapien für Linderung sorgen. Gelingt dies nicht, bleibt oft nur die Operation der Hand, um zu verhindern, dass es zu dauerhaften Schädigungen kommt.

Schmerz im Anmarsch: Die drei Risikofaktoren für ein Carpaltunnelsysndrom

Durch Überlastung wird das komplizierte Zusammenspiel der Hand-Komponenten gestört und es kommt zu Beschwerden. Als Risikofaktoren für das CTS nennt die DGUV:

Repetition: wenn sich Bewegungsabläufe immer wieder in gleicher Weise wiederholen, etwa bei der Montage, beim Sortieren oder Verpacken

Kraftaufwand: wenn Finger und Hände hohe Kräfte leisten müssen, etwa beim Halten von Gegenständen, beim Führen von Handmaschinen oder wenn Clips mit den Fingern eingedrückt werden müssen

Hand-Arm-Vibrationen: wenn Finger, Hände oder Arme mechanischen Schwingungen ausgesetzt sind, wie beim Arbeiten mit Schlagbohrmaschinen, Winkelschleifern, Kettensägen, Freischneidern oder Abbruchhämmern

Arbeitsschutz: Die wichtigsten Maßnahmen nach dem STOP-Prinzip

Der zentrale Abschnitt 4 der neuen DGUV Information ordnet die Maßnahmen zur Prävention des CTS gemäß der bewährten STOP-Rangfolge. Am Beispiel des Arbeitens mit einem luftdruckbetriebenen Nietgerät wird dies deutlich:

  1. Substitution (S) setzt an der Quelle der Belastung an, das heißt, das Nietgerät wird durch ein Klebe-Verfahren mit automatischem Kleberauftrag ersetzt.

  2. Technische Maßnahmen (T): Durch eine Nietmaschine muss nicht mehr per Hand genietet werden.

  3. Organisatorische Maßnahmen (O): Das manuelle Nieten wird um das Bohren der Nietlöcher mit einer Ständerbohrmaschine ergänzt, wodurch die Belastung der Hand weniger gleichförmig wird.

  4. Personenbezogene Maßnahmen (P) können die STO-Maßnahmen ergänzen, etwa durch Unterweisung, Anleitung zum gelenkschonenden Arbeiten, Hinweis auf Angebotsvorsorge des Betriebsarztes und Schutzausrüstung

Prävention: Von Fallbeispielen aus der Praxis lernen

Abschnitt 5 der DGUV Information stellt Best-Practice-Lösungsbeispiele aus unterschiedlichen Betrieben vor. Die die mit Fotos und Grafiken veranschaulichten Fälle reichen von Einlegearbeiten an einer automatisierten Schweißstrecke über Knarrenmontagen und Kommissionieraufgaben bis zur Zusammenarbeit von Mensch und Maschine in der Produktion.

Deutlich wird, dass es nicht die eine und universell anwendbare Lösung gibt, sich oder seine Mitarbeiter vor Überlastungen der Hände und dem Risiko für eine CTS-Erkrankung zu schützen. Doch wer präventiv und kreativ vorgeht, wird Möglichkeiten finden, manuelle Arbeiten so zu gestalten, dass das wichtigste Arbeitsmittels Hand vor dauerhaften Schäden bewahrt wird.