Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Spätestens bei fehlender Wettbewerbsfähigkeit haben Märchen und Belehrungen ausgedient

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Europapolitik, Fachkräftemangel, Konjunktur, Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Nach der Transformation der Wirtschaft, die noch auf ihre Entdeckung als Exportschlager wartet, harrt auch das Grüne Wirtschaftswunder hierzulande noch aus. Deutschland schrumpft mit seiner Wirtschaftstätigkeit, die Rote Laterne im internationalen Wettbewerb ist laut unserer Kolumnistin Ruth Baumann sicher. In einer neuen Folge „Neues von der Werkbank“ nimmt sie die aktuelle deutsche Wirtschaftslage und das vermeintliche Schwinden unserer Wettbewerbsfähigkeit unter die Lupe.

Ruth Baumann Landesvorsitzende UFH Baden-Württemberg
Ruth Baumann Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg. Gemeinsam mit ihrem Mann führt sie die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. - © privat

Gestatten Sie mir gleich zu Beginn eine etwas ironische Bemerkung: Brüssel mutiert immer mehr zum Versailles der Neuzeit. Wie sagte einst angeblich Marie-Antoinette? Die Untertanen sollen doch Kuchen essen, wenn man kein Brot hat. Dieses Ausblenden von Sorgen, Ängsten und Nöten hat ganz klar auch in der Neuzeit noch Konjunktur.

Warnungen als Hintergrundmusik

Zwar „plauscht“ man gerne über die Auswirkungen von Inflation und schwindender Wettbewerbsfähigkeit, aber eine spürbare Weichenstellung gibt es nicht. Die Folgen der Transformation, also des Green Deals, die drohende Ausformung der Taxonomie hat wirtschaftliche Folgen und wird das gesellschaftliche Leben nachhaltig beeinflussen, aber man schlägt die Warnungen in den Wind und will das Ganze offensichtlich „aussitzen“.

Wenn einer der großen Nettozahler (oder sogar der größte) ausfällt, wird sich die Administration und Verwaltung dennoch weiterhin ungeschlechtlich vermehren und nach neuen Finanzquellen suchen. Die ausufernde Bürokratie erweist sich dabei als treuer Wegbegleiter, die Warnungen – nicht nur von Prof. Dr. Hans-Werner Sinn – hingegen als passende Hintergrundmusik. Was die Europapolitik in Brüssel vorlebt, wird in Berlin noch „verbessert“ oder, um es offen und ehrlich zu sagen, noch verteuert.

Von Erhöhungen und Verheißungen

Blicken wir auf die neue, fast unanständige Erhöhung der Maut. Keinem Spediteur kann unterstellt werden, dass er ein sozial-caritatives Geschäftsmodell pflegt (falls er überhaupt ausreichend Fahrer hat). Die Erhöhungenvon Maut und Sprit werden sich bei den Produkten durchschlagen und schlussendlich muss sie wieder der Endverbraucher zahlen.

Irgendwann, und dies kann schon bald sein, werden Erzeugnisse so teuer, dass sie auf dem Markt keinerlei Chance mehr haben. Würden Sie noch ein Wienerle oder eine Brezel für 2,00 Euro kaufen oder – besser noch – überhaupt kaufen können? Wie lang will man uns noch Wohnraum versprechen, auf bürokratische und zeitintensive Fördermittel verweisen und es passiert dennoch am Ende nichts? Wann wird das „nicht-liefern-Können“ der Regierung peinlich? Nicht nur der Bau, sondern auch allerhand andere Gewerke brechen allmählich ein. Jeder ist „besorgt“, kommt aber über das Reden nicht hinaus. Es ginge schneller und günstiger, wie ein Blick über den Tellerrand zeigt. Das könnte vor allem auch im Wettbewerb um Fachkräfte äußerst hilfreich sein.

Wenn Fachkräfte weiterziehen...

Eine weitere „Baustelle“ ist die Abwanderung von gut ausgebildeten Arbeitnehmern. Unterhalten sich Fachärzte untereinander, entsteht fast ein gegenseitiger Wettbewerb wer, wann, wohin (ins Ausland) geht. Fachkräfte wandern aus und der wirtschaftliche Nutzen für die Gesellschaft ebenfalls. Bei Apothekern drehen sich die Gespräche nur noch um den Mangel an Medikamenten, die überbordende und oft nicht funktionierende Bürokratie sowie den immensen Preisdruck. Generell gilt: Arbeit muss sich lohnen. Bevor man aber die Mehrwertsteuer auf Medikamente und medizinische Produkte senkt, erhöht man lieber die CO2-Abgabe. Glaubt man so, den exorbitanten aktuellen CO2-Ausstoß unserer Kohlekraftwerke (vgl. Electricity Maps) durch den Griff in den Geldbeutel der Bevölkerung wieder kompensieren zu müssen?

Deutschland, ein uninteressanter Standort?

Aus der Rentenversicherung entnimmt man im Zeitraum von 1957 bis 2020 rund 909 Milliarden für Fremdleistungen. Was passiert mit dem Geld, das von Arbeitgebern wie auch Arbeitnehmern, erwirtschaftet wurde? Erinnert sei noch einmal an das Urteil des Bundessozialgerichts vom 29.6.2020 (B4 RA 57/98 R, S. 12ff). Unsere Brutto-Lohnkosten sind zu hoch, das Netto zu gering und dennoch reichen die eingezogenen Beiträge der Sozialversicherung keineswegs aus. Warum haben andere Länder Medikamente, die sie verkaufen können? Was macht den Standort Deutschland so uninteressant, was läuft hier falsch?

Keine Märchen mehr!

Der Blick auf den Markt hat sich verschoben. Früher sah man in klein- und mittelständischen Betrieben, auch im Handwerk, einen Zukunftsgaranten. Ob KUEBLL-Liste (es geht bei der Senkung der Energiekosten nicht um den Bäcker oder Metzger um die Ecke) oder CO2-Abgabe: Man setzt und unterstützt die Industrie, deren Betriebe zwar vermehrt abwandern, aber dies scheint man kategorisch auszublenden. Die inhabergeführten, kleinen Firmen dürfen zwar kräftig mit ihren Arbeitnehmern zahlen, aber die Entlastung greift bei anderen. Wer sich lieber um Großbetriebe und Kommunen sorgt, wird künftig nicht nur vor leeren Läden und geschlossenen Praxen stehen. Wer Facharbeiter braucht und will, muss echte, wettbewerbsfähige Wirtschaftspolitik und Wohlstand für alle bieten. Märchen oder Belehrungen haben ausgedient und – sagen wir wie es ist – letztendlich auch versagt!

Über Autorin Ruth Baumann:

Bei Ruth Baumann war es ein zart gehauchtes "Ja", das sie in einen mittelständischen Straßenbaubetrieb und damit ins Handwerk brachte: Seit ihrer Hochzeit führt sie gemeinsam mit Ehemann Martin Baumann die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. Trotz ihres abgeschlossenen Hochschulstudiums entschied sie sich damals bewusst, in den Familienbetrieb einzusteigen und bekräftigte dies durch eine weitere Ausbildung zur Bürokauffrau. Zunächst im Ehrenamt bei den Unternehmerfrauen im Handwerk Freiburg, später als Präsidentin des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Baden-Württemberg, war es ihr immer ein besonderes Anliegen, die Mitglieder mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Stolz auf das Handwerk auszustatten. Sie sieht die Unternehmerfrauen als Wirtschaftsverband und vertritt dies auch in der Öffentlichkeit.

Ihre betriebliche Erfahrung wurde in der Folgezeit auch verstärkt in der politischen Theorie nachgefragt und stieß – zu ihrer eigenen Überraschung – auf immer mehr Resonanz. Es folgten unterschiedliche Kommissionen und Funktionen in der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die sie mittlerweile auch auf Bundesebene ausführt. In Interviews, Vorträgen und Podiumsdiskussionen rund um das Handwerk gibt sie parteiübergreifend Einblicke in die Sorgen und Nöte von Familienbetrieben. Jüngst wurde sie in den Bundesvorstand der CDU gewählt und ist dort als "Handwerk mit Mundwerk und akademischen Grad" Mittler zwischen unterschiedlichen Welten.