High-Tech von gestern

Uhren Mitten in der Elektronik-Epoche sehnen sich die Menschen nach der guten alten Zeit: Klassische Uhren sind gefragter denn je. Die begehrtesten Stücke verrät Uhrmachermeister Manfred Nyikos.

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    Handwerkskunst: Gute Augen, ruhige Hand und großes Können sind Voraussetzung, ein Uhrwerk zu reparieren.
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    IWC Mark XIDie berühmte Fliegeruhr der Royal Air Force. In den 80ern für 200 Mark, jetzt 6500 Euro.
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    Breitling Navitimer60er-Jahre-Chronograph mit Rechenschieber für Piloten: Liebhaber zahlen bis zu 4500 Euro.
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    Omega Das Modell mit Handaufzug von Anfang der 50er- Jahre ist heute zirka 2000 Euro wert.
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    Filigranarbeit: Das Zerlegen eines Rolex-Uhrwerks gehört zu Meister Manfred Nyikos’ täglicher Routine.
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    Rolex Big BubblebackErste wasserdichte Automatik-Uhr, um 1950: Wird für zirka 9500 Euro gehandelt.
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    Rolex Submariner Durch James Bond berühmte Taucheruhr, in den 70er- Jahren 750 Mark, jetzt zirka 7800 Euro.

High-Tech von gestern

Gut 142000 Euro für eine Armbanduhr aus den 50er Jahren? Zu diesem Preis wurde im vergangenen November in Genf vom Auktionshaus Sotheby’s eine goldene Rolex Oyster Perpetual Datejust versteigert. Zwar handelte es sich dabei um ein besonderes Exemplar, es gehörte einst dem ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer. Doch 142000 Euro sind ein stolzer Preis. Die wahre Sensation lieferte aber im vergangenen Jahr das Londoner Auktionshaus Christie’s. Nicht nur, weil es einen einfachen Chronographen mit Handaufzug von Patek-Philippe aus dem Jahre 1928 für mehr als 2,5 Millionen Euro versteigerte, sondern auch, weil Christie’s 2011 mit seinen sechs Uhrenauktionen in Genf, Hongkong und New York einen Rekordumsatz von 89,5 Millionen Euro erzielte - 20 Millionen mehr als im Vorjahr.

Faszination der Uhrmacherkunst

Mechanische Uhren sind begehrter denn je. Nicht nur als Geldanlage. „Vielfach ist es schlicht die Freude an einem individuellen Stück, etwas zu besitzen, das nicht jeder einfach so kaufen kann“, sagt Uhrmachermeister Manfred Nyikos aus Köln, der sich auf mechanische Sammlerstücke spezialisiert hat. Natürlich ist es auch die Faszination der Uhrmacherkunst, die technische Raffinesse, die Filigranarbeit, die Ästhetik des perfekt ineinandergreifenden Räderwerks aus hochwertigen Materialien, die das steigende Interesse begründet. Und nicht zuletzt liefern die Klassiker am Handgelenk Gesprächsstoff zum Small - Talk. Die Besitzer signalisieren damit Geschmack und Kennerschaft - nicht ganz ohne Eitelkeit. Die Hersteller haben die Zeichen der Zeit erkannt. Der Trend geht nämlich auch bei neuen Uhren eindeutig zurück in die mechanische Vergangenheit. Futuristisch anmutende und protzig wirkende Uhren mit überflüssigem Schnickschnack sind auf dem Rückzug. Armbanduhren werden wieder kleiner, flacher, eleganter und klassischer im Design. Retro-Look ist en vogue.

Comeback der Klassiker

Die 50er- und 60er- Jahre lassen grüßen, oder wie bei Jaeger-LeCoultre aus dem schweizerischen Uhren-Tal Vallée de Joux sogar die 30er- Jahre. Zum 80. Jubiläum der legendären Sportuhr „Reverso“, einst als robuster Zeitmesser für Polospieler entwickelt, gab es im vergangenen Jahr die „Grande Reverso Ultra Thin tribute to 1931“. Und die ist kein bisschen gealtert. „Die Legende lebt, atmet, verwandelt sich, nimmt eine noch schönere Gestalt an, ohne ihre ursprüngliche Aura einzubüßen“, präsentierte Jaeger-LeCoultre-Chef Jérôme Lambert den Art-déco-Klassiker der Uhrmacherkunst voller Stolz.

Ebenso behutsam in der Modell-Politik agiert die Genfer Traditionsfirma Patek Philippe. Ihre Ikone namens „Calatrava“ geht auf das Jahr 1932 zurück. Das aktuelle Modell lässt trotz ständiger Evolution die Gene der Ur-Kollektion klar erkennen. „Die Calatrava gehört heute zu den gefragtesten Klassikern“, sagt Uhrmachermeister Nyikos und betrachtet liebevoll ein Prachtstück aus den 50er- Jahren. Neu hat es damals um die 1200 Mark gekostet. Heute berappen Liebhaber für Topmodelle bis 15000 Euro.

„Der Kauf von Klassikern ist absolute Vertrauenssache“, sagt Nyikos, „denn jede nicht perfekt ausgeführte Reparatur oder Ersatzteile, die nicht dem Original entsprechen, sowie abgelebte und ungepflegte Stücke mindern den Preis des historischen Zeitgebers.“

Neben Patek Philippe rangiert auch Rolex ganz oben in der Sammlergunst. Besonders begehrt sind Sport-Klassiker. Die „Submariner“, die durch Sean Connery in James Bond berühmt wurde, kostete in den 70er- Jahren in Edelstahl gerade mal um die 750 Mark. Jetzt wird sie im Topzustand für zirka 7800 Euro gehandelt.

Begehrte Fliegeruhren

Aber auch Modelle von IWC, Omega oder Breitling gehören zu den gesuchten Klassikern mit Wertsteigerung. Die legendäre Fliegerarmbanduhr „Mark XI“ von IWC war Mitte der 80er- Jahre nach der Ausmusterung bei der Royal Air Force auf dem Sammler-Markt für 100 bis 200 Mark zu ergattern. Heute können makellose Stücke in mattiertem Stahl leicht 6500 Euro kosten.

Der markante „Navitimer“ von Breitling, ebenfalls eine Fliegeruhr aus der Zeit, als Elektronik noch nicht das Cockpit dominierte, ist aus den 60er- Jahren stammend ab 4000 Euro zu haben. Er besitzt eine Lünette mit logarithmischer, drehbarer Rechenschieber-Skala, mit der sich Flugdaten am Handgelenk schnell berechnen ließen. Aber auch eine schlichte Omega in bester Qualität von Anfang der 50er- Jahre mit Handaufzug kostet heute in Edelstahl bereits um die 2000 Euro.

Ganz oben auf der Wunschliste der Uhren-Freaks steht die Rolex Bubbleback - so genannt wegen ihres konvexen Gehäuses. Für ein makelloses Modell aus dem Jahre 1950 blättern sie locker 9500 Euro hin. Die Bubbleback ist ein Vorgänger des Modells, das Konrad Adenauer besaß. Was der Bundeskanzler damals für seine Rolex bezahlt hat, ist nicht überliefert. Heute wird ein Prachtstück jedenfalls ohne den „Kanzler-Bonus“ und ohne Gravur für zirka 7000 Euro gehandelt.

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