Auf kleiner Fläche punkten

Messestand | In reizüberfluteten Messehallen konkurrieren alle Aussteller um die Aufmerksamkeit der Besucher. Gewinnen kann nur, wer eine klare Botschaft in Bildern erzählt.

Auf kleiner Fläche punkten

E So gefällt es Dieter Soth: Ein Messebesucher schlendert auf den Gemeinschaftsstand der Handwerkerkooperation „Leben ohne Barrieren“ (LoB) mit Sitz in Kleve bei Xanten zu. Sein Blick schweift über die Logos der Handwerksbetriebe und die ausgestellte behindertengerechte, bodengleiche Dusche. So zieht es den Betrachter langsam, aber stetig in den Stand. „Ich achte immer darauf, dass wir mindestens einen Eckstand mit zwei offenen Seiten haben oder noch besser einen Kopfstand, der von drei Seiten zugänglich ist“, erklärt Dieter Soth, Projektleiter der Kooperation, in der vier Gewerke alters- und behindertengerechte Lösungen für Wohnungen und Häuser präsentieren. Denn: „Mit dieser Offenheit gelingt es uns, die Laufkundschaft auf der Messe an den Stand zu locken. Mit Seniorenprodukten identifiziert sich nun einmal keiner gerne.“

Wolf M. Spryß, Leiter des Messe Instituts mit Sitz in Laubenheim an der Nahe, bestätigt: „Grundsätzlich muss man einen Messestand von außen nach innen planen und dabei auch die körperliche Verfassung des Besuchers berücksichtigen.“ Soll heißen: In der Außenzone des Standes muss eine klare Botschaft mit einer pfiffigen Gestaltung das Interesse der ansonsten von Reizen überfluteten und auch vom langen Gehen erschöpften Besucher wecken. Das bedeutet: Texttafeln verbieten sich, besser sind schon großflächige Fotos, und die beste Wirkung haben originell präsentierte Objekte. Das bestätigt auch eine Untersuchung des Messe Instituts. Im August 2006 beobachteten die Messeexperten im Auftrag der Interessengemeinschaft Messeforschung mit einer Augenspiegelkamera die Wirkung der Außenelemente eines Standes: 40 bis 70 Prozent der Besucher blickten zuerst auf das Exponat, 30 bis 50 Prozent zunächst auf das Bild. Höchstens 30 Prozent steigen dagegen über den Text in das Thema des Standes ein.

„Jeder Stand ist eine kleine Bühne mit unterschiedlicher Dramaturgie und eigener Kulisse“, betont Spryß. „Das Stück, das gespielt wird, muss eine eindeutige Botschaft beinhalten.“ Nicht ratsam ist es deshalb, einfach nur Produkte aus dem Katalog abzubilden, stattdessen sollte vielmehr jedes Bild eine Geschichte erzählen. Auf einer Fachmesse für Gartenbau beispielsweise erregte der Stand einer holländischen Saatgutfirma mit großflächigen Fotos höchste Aufmerksamkeit. Die Fotos zeigten, wie eine Hand mit einem Pinsel Pflanzen bestäubte. Die Aussage dahinter: Pinselbestäubung bringt hohe Qualität, weil die Pflanzen handverlesen sind. Und: „Großflächige Fotoelemente können nach der Messe noch in ein Foyer, in eine Produktionshalle oder in einen Verkaufsraum gestellt werden und damit die Botschaft weiter verbreiten“, betont Spryß.

Flexibel mit Modulen

Flexibilität ist auch der Anspruch, den die Kooperation „Leben ohne Barrieren“, an der sich ein Sanitär- und ein Elektrobetrieb, eine Schreinerei und ein Fliesenleger beteiligen, an den eigenen Messestand stellt: Herzstück ist ein drei Meter hoher Hintergrund aus vier Wandmodulen mit den Firmenlogos der Betriebe. Je nachdem, wie viel Standfläche die Kooperation auf einer Messe mietet, kann der Messestand auf drei mal fünf oder drei mal neun Meter ausgeweitet werden. Drei fahrbare Theken informieren jeweils über die Handwerksbetriebe, die architektonischen Lösungen und über Allgemeines, wie Baufinanzierungen. Auf anderen fahrbaren Modulen montieren je nach Themenschwerpunkt des Standes die Aussteller ihre Exponate: eine Treppe mit einem Lift, einen Waschschrank mit ergonomisch gestalteten Armaturen inklusive Spiegel oder auch Elektroschalter, die schön und praktisch sind. „Diese Flexibilität ist notwendig, weil sich die Themen und die Darstellungen an unserem Stand ständig ändern“, erklärt Dieter Soth.

Auf die sonst oft übliche Kabine für Kaffeemaschine und Garderobe haben die Handwerker verzichtet und nutzen stattdessen den kompletten Innenraum des Standes als Ausstellung. Persönliche Dinge können in den Modulen eingeschlossen werden. „Wenn wir ein intensiveres Gespräch führen, laden wir lieber ins Restaurant ein“, sagt Soth. „Die meisten Messebesucher holen sich Erstinformationen, wollen wissen, was möglich ist und nehmen Broschüren oder Visitenkarten mit.“

Sich als Handwerkskooperation auf einer Messe zu präsentieren hat den einzelnen Betrieben Vorteile gebracht. „Wer einen Umbau plant, will in der Regel die Leistungen aller Gewerke aus einer Hand“, erklärt Soth. Die Vielfalt des Angebots und die Größe des Standes zieht die Besucher an. Nicht zuletzt teilen sich die Handwerksbetriebe über eine Marketingumlage auch die Ausgaben: rund 4500 Euro haben sie in den Stand investiert.

Dazu kommen für jede Messe die Kosten für die Gestaltungselemente (Folien und Großfotos) sowie die Standmiete und jeweils 1200 bis 2000 Euro Nebenkosten. „Pro Auf- und Abbau rechnen wir 15 bis 20 Prozent der Herstellungskosten für die Schäden“, sagt Soth. „Das bedeutet, dass wir alle vier bis fünf Jahre einen neuen Stand brauchen.“

Wichtig für den Messeerfolg sei allerdings sowohl die Vor- als auch die Nacharbeit zu jeder Messe, betont der Koordinator. „Wir verschicken persönliche Einladungen an Kunden und Interessengruppen und wählen immer ein besonderes Thema, um unseren Besuchern einen attraktiven Anknüpfungspunkt zu bieten. Aber vor allem: Jede aufgenommene Adresse wird nach der Messe schnell und sorgfältig bearbeitet“, unterstreicht Dieter Soth.

Die Kosten lohnen sich letztlich nur, wenn entsprechend Aufmerksamkeit auf einer Messe erregt wird – gerade bei den an Quadratmeterfläche kleinen Ständen ist das die Herausforderung. Melanie Butz, Architektin beim Atelier Türke Messedesign in Balingen, betont. „Die Art, wie man seine Produkte präsentiert, ist entscheidend.“ Das muss nicht unbedingt teuer sein, nach ihrer Erfahrung kommt es vor allem auf eine originelle Gestaltung an.

Mut zum Anders-Sein

So können die Ausstellungsstücke beispielsweise dann zum Blickfang werden, wenn sie von der Decke hängen, statt nur in einer Glasvitrine zu liegen. Und auf einer Industriemesse, bei der es natürlich überwiegend sehr sachlich zugeht, wird automatisch eine Blumenwiese zur Attraktion, auf der sich bei näherem Hinschauen einzelne Blüten als Industrieschalter herausstellen. Gerade Aussteller mit kleinen Ständen müssen den Mut zum Auffallen haben, etwa mit ungewöhnlichen Materialien oder grellen Farben. Dabei sollten sich die Unternehmer aber vor einem häufigen Anfängerfehler hüten. „Nie zu viele Produkte mitnehmen“, betont Melanie Butz. „Überfrachtete Stände werden nicht wahrgenommen. Und zum Informieren ist schließlich das Standpersonal da.“

Pia Weber

kerstin.meier@handwerk-magazin.de