Marketing mit 140 Zeichen

Twitter | Noch haben erst wenige Unternehmer die Chancen des Kurznachrichtendienstes Twitter für sich entdeckt. Deshalb heißt es jetzt, sich die besten Adressen zu sichern. Viele für Handwerker interessante Accounts sind noch frei!

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    © Peter Weigelt
    Mit Twitter zu neuen Kunden: Stefanie Mühlfeld von Juwelier Memmel in Schweinfurt bewirbt über den Nachrichtendienst seltene Sammlerobjekte.
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    Mit Twitter zu neuen Kunden: Stefanie Mühlfeld von Juwelier Memmel in Schweinfurt bewirbt über den Nachrichtendienst seltene Sammlerobjekte.

Marketing mit 140 Zeichen

Eine Legende kehrt zurück: Die Omega PloProf 2009“, diese Meldung konnten Uhren-Liebhaber kürzlich auf www.twitter.com lesen. Wer mehr über die lang angekündigte Neuauflage der berühmten Taucheruhr aus den 70er- Jahren wissen wollte, den führte ein eingebetteter Link per Mausklick direkt von der Nachricht zum Onlineshop der Juwelier Memmel GmbH in Schweinfurt, wo die Rarität für 6140 Euro auch gleich vorbestellt werden konnte.

„Wir sind seit gut drei Monaten bei Twitter präsent“, erklärt Stefanie Mühlfeld, die mit mehreren Kolleginnen die Internetkunden des seit 1876 bestehenden Uhrmacher-Betriebes betreut. Der derzeitige Test diene dazu, die Funktionen und Möglichkeiten des Dienstes kennen zu lernen. „Langfristig versprechen wir uns von Twitter einen Kundenzuwachs im Onlinebereich“, verrät sie die strategische Zielrichtung des Experiments.

Twitter heißt im Englischen so viel wie „Gezwitscher“ und beschreibt die Idee der gleichnamigen Internet-Firma aus San Francisco, die den Dienst 2006 ins Internet stellte. Auf der Website www.twitter.com kann jeder nach einer einfachen, kostenlosen Anmeldung kurze Nachrichten von maximal 140 Zeichen Länge veröffentlichen, kann auf Meldungen anderer „Twitterer“ antworten oder deren Äußerungen an Dritte weiterleiten. So entsteht ein weltweites „Gezwitscher“, das sich im Kern um eine Frage dreht: Was tust du gerade?

Die begrenzte Textmenge war dabei zuallererst ein technischer Kompromiss. Denn mit bis zu 140 Zeichen Länge können Nachrichten („Tweeds“ genannt) nicht nur von Computern oder Laptops, sondern auch per Handy gesendet und empfangen werden, als einfache SMS. Als im Januar beispielsweise ein Airbus im Hudson River vor den Toren New Yorks notlandete, erfuhr die Öffentlichkeit davon zuerst durch einen Twitterer, der zufällig am Ort des Geschehens war.

In dem Zwang, sich kurz zu fassen, und dem auch ansonsten betont simplen Konzept des Online-Dienstes sieht Thomas Memmel, der das elektronische Geschäft bei der Juwelier Memmel GmbH in Schweinfurt leitet, auf lange Sicht beachtliches Marketing-Potenzial: „Twitter-Nachrichten haben beste Chancen, gelesen zu werden.“ Zudem sei eine Twitter-Seite dank des simplen Konzepts schneller erstellt als beispielsweise ein Blog (Internettagebuch). Und man brauche weder Werbetexter noch viel Zeit, um eine 140-Zeichen-Nachricht auf den Weg zu bringen. „Mit Twitter können wir schneller und aktueller sein als mit jedem anderen Medium und auf längere Sicht auch neue Zielgruppen erreichen“, ist der promovierte Wirtschaftsinformatiker überzeugt.

„Twitter ist auch ein gutes Werkzeug, um regionale Netzwerke zu pflegen“, hat Herwig Danzer, Geschäftsführer der Massivholzschreinerei „Die Möbelmacher“ in Hersbruck festgestellt. Der 47-Jährige pflegt seit einem Jahr mithilfe des Kurznachrichten-Portals den Kontakt zu rund 300 Kunden, Partnern und Freunden. „Viele kann ich nur selten treffen, dank Twitter aber bleiben wir im ständigen Kontakt, tauschen uns aus, helfen uns und zwar nicht nur online“, berichtet der Marketingexperte, der bis zu 30 Minuten täglich Kurznachrichten liest und schreibt.

Thomas Memmel und sein Team nutzen Twitter gegenwärtig vor allem, um auf neue oder besonders attraktive Angebote im Onlineshop hinzuweisen. „Bislang locken wir damit allerdings vor allem Surfer aus England oder den USA auf unsere Seiten“, hat der Internetprofi festgestellt, „Twitter ist dort schon weitaus populärer als hierzulande“.

Dass der Dienst in Deutschland noch ein Schattendasein fristet, hat viele Ursachen: So gibt es bislang keine deutschsprachige Portalseite. Zudem ist der Empfang von Twitter-SMS aufs Handy in Deutschland seit 2007 nicht mehr möglich, da bei den deutschen Handyverträgen der Absender für eine SMS zahlen muss. Das kann und will Twitter nicht leisten. Bis Twitter und die Anbieter auch für Deutschland ein Bezahlmodell entwickelt haben, können deutsche Twitterer ihre Tweeds zwar per SMS einstellen, sind beim Empfang jedoch auf einen Computer angewiesen.

Langer Atem erforderlich

Die wohl größte Schwäche des Dienstes aber liegt in der fehlenden Verifizierbarkeit der Teilnehmer. Die simple Anmeldeprozedur macht es Spaßvögeln oder Betrügern leicht, in eine andere Identität zu schlüpfen.

Nicole Simon, Mitautorin des Buches „Twitter mit 140 Zeichen zum Web“, geht deshalb davon aus, dass Twitter in nicht allzu ferner Zukunft verifizierbare Accounts gegen Bezahlung anbieten wird. „Damit würde das Startup, das bislang noch keinerlei Einnahmen erzielt, nicht nur über eine erste Geldquelle verfügen, sondern auch sein Geschäftsmodell professionalisieren“, argumentiert die Web-2.0-Spezialistin.

Von den Unzulänglichkeiten und der bislang eher verhaltenen Resonanz auf seine Tweeds lässt sich Thomas Memmel nicht schrecken. „Wir haben auch bei anderen sozialen Netzwerken wie zum Beispiel smatch.com die Erfahrung gemacht, dass es einen langen Atem braucht, bis die Leute solche Angebote entdecken und nutzen. Heute verkaufen wir mithilfe solcher elektronischen Mund-zu-Mund-Propaganda schon vier bis fünf Mal erfolgreicher als über die klassischen Shopping-Portale.“

Frank Pollack
kerstin.meier@handwerk-magazin.de