Girokonto: Bank muss Geschäftskunden 10.000 Euro erstatten

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat ein wichtiges Urteil für Handwerker gesprochen. Danach muss eine Bank ihrem Kunden 10.000 € zu viel berechnete Zinsen wegen eines überzogenen Girokontos erstatten (Az.: 9 U 75/11).

Der Stuttgarter Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Oliver Renner rät Bankkunden aufgrund eines neuen Urteils, die Zinsberechnungen genau nachzuprüfen. - © Oliver Renner

Der Grund: Die von der Bank verwendeten Zinsanpassungsklauseln sind teilweise unwirksam. Die Folge: Die Bank hatte Zinssenkungen über Jahre zu spät an die Kunden weitergegeben. Die Klauseln hätten als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu einer unangemessenen Benachteiligung des Geschäftskunden geführt, monierten die Stuttgarter Richter. Die Bank sei in dem Maße zu Senkungen des vereinbarten Zinssatzes verpflichtet, in dem der bei Vertragsschluss als Bezugsgröße heranzuziehende Zinssatz auf dem Geldmarkt (hier: Dreimonats-Euribor) sinkt. Diese Pflicht zur Zinssenkung sei nicht ausreichend klar und verbindlich geregelt und habe so zum Nachteil des Kunden Abweichungen im Ermessen der Bank zugelassen.

Zinssätze zu spät angepasst

In dem Urteilsfall hatte die klagende Bank die teilweise Rückzahlung eines eingeräumten Kontokorrentkredits und einer darüber hinausgehenden Überziehung verlangt. Der Kunde verteidigte sich damit, dass die Bank zu hohe Zinsen berechnet habe. Sie habe seit Beginn der Geschäftsbeziehung in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksame Zinsanpassungsklauseln verwendet und die veränderlichen Zinssätze nicht ausreichend an die Marktverhältnisse angepasst. Die Zinsberechnungen und Kontosalden seien daher rückwirkend ab dem Jahr 1989 zu korrigieren. Bei richtiger Zinsberechnung habe nicht die Bank einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 196.909,19 €, sondern der Kunde habe ein Guthaben von 333.939 €.

Höchstens fünf Jahre zurück

So lange zurück wollte die Bank nun auch wieder nicht gehen – der Kunde könne „wegen der besonderen Umstände des Falles“ nur eine Korrektur der Zinsberechnung für höchstens fünf Jahre verlangen. Korrekturansprüche wegen länger zurückliegender Fehler seien „nach Treu und Glauben“ verwirkt. Der Kunde habe nämlich jahrelang die Zinsanpassungen und quartalsweisen Rechnungsabschlüsse mit Saldoanerkenntnissen nicht angegriffen und wiederholt die Zinssätze bei Darlehensverlängerungen bestätigt. Damit habe er signalisiert, das Ergebnis der Zinsanpassung nicht zu beanstanden. Falls er reklamiert hätte, wäre die Bank nach dem Richterspruch berechtigt gewesen, die Kredite kurzfristig zu kündigen und die von ihr gewünschten Zinssätze frei zu vereinbaren. Jedenfalls nach einem Zeitraum von fünf Jahren könne der Kunde keine Korrekturen mehr verlangen.

Kunden brauchen jetzt Fingerspitzengefühl

Handwerksunternehmern und mittelständischen Betrieben rät der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Oliver Renner, die Zinsberechnungen der eigenen Bank entweder selbst oder mit Hilfe eines Spezialisten im jeweiligen Einzelfall überprüfen zu lassen. Ob es im Fall von Zinsfehlern für Kunden ratsam ist, die Bank wegen falscher Zinsberechnungen zu verklagen oder doch lieber klein bei zu geben, erfordert laut Renner viel Fingerspitzengefühl. „Zu berücksichtigen ist, dass die Bank den Überziehungskredit meist jederzeit kündigen kann. Wessen Bank sich bei der Kreditbewilligung großzügig zeigt, sollte nicht unbedingt wegen verhältnismäßig kleiner Zinsbeträge auf Konfrontationskurs gehen und die ansonsten gute Geschäftsbeziehung zur Hausbank gefährden.“ Anders sieht es bei Kunden aus, deren Kreditlinie gerade gekündigt wurde. Sie sollten die Zinsberechnungen genauer unter die Lupe nehmen.

Noch zahlreiche offene Fragen

Bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt ist die Frage, was der richtige Parameter für die Zinsberechnung in Kontokorrentkreditverhältnissen ist – Libor, Euribor oder ein anderer Wert. Außerdem fehlt eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zu der Frage, wie weit zurück der Kunde Zinsberichtigungen reklamieren darf. Denn immerhin erhält jeder Bankkunde am Monatsende eine Abrechnung. Ob das Schweigen hierauf als so genanntes Saldenanerkenntnis zu bewerten ist – darüber lässt sich unter Juristen trefflich streiten. „Ob Schweigen reicht, kann man durchaus bezweifeln. Jedenfalls dann, wenn der Kunde seine Überziehung auf dem Giro-Konto in ein längerfristiges Darlehen umfinanzieren lässt, unterschreibt er in der Regel die Abrechnung samt neuem Darlehensvertrag“, erklärt Oliver Renner, Anwalt in der Stuttgarter Kanzlei Wüterich Breucker. Ein solches Saldenanerkenntnis stehe dann in der Regel einer späteren Reklamation der Zinsberechnung entgegen.